Wussten Sie, dass Herne eine Autostadt ist? In den Jahren 1953 bis 1954 wurde der Pinguin, ein dreirädriger Kleinwagen, an der Baumstraße 12 gebaut. Der „Porsche auf drei Rädern“, wie er liebevoll genannt wurde, schmückte aber nur kurz die Straßen des Ruhrgebiets. Doch bis heute ist das kleine Fahrzeug ein stiller Zeuge Herner Gründergeistes.
Wussten Sie, dass Herne eine Autostadt ist? In den Jahren 1953 bis 1954 wurde der Pinguin, ein dreirädriger Kleinwagen, an der Baumstraße 12 gebaut. Der „Porsche auf drei Rädern“, wie er liebevoll genannt wurde, schmückte aber nur kurz die Straßen des Ruhrgebiets. Doch bis heute ist das kleine Fahrzeug ein stiller Zeuge Herner Gründergeistes.
Nicht im schwarzen Frack, sondern feuerrot geschwungen glänzte der Pinguin auf den Herner Straßen der 1950er-Jahre. Sein Anblick war schon damals eine Rarität: Nur 32 Exemplare wurden in der zweijährigen Produktionszeit gebaut, wovon es allerdings keines bis in die heutige Zeit geschafft hat. Trotzdem: „Der Pinguin ist für mich ein bedeutendes Stück Herner Geschichte“, erklärt Wolfgang Bruch, Herner Rechtsanwalt, Oldtimer-Experte und selbst ein Kind der 1950er-Jahre. „Heute gibt es, bis auf ein paar kleine Prototypen-Modelle, keine Pinguine mehr.“ Seine Leidenschaft zum Pinguin und allgemein zu den 1950er-Jahren veröffentlichte er in seinem Buch „Pinguine, Pütts und Petticoats“, in dem er Erinnerungen niedergeschrieben und mit zahlreichen Bildern versehen hat.
Gebaut wurde der Pinguin von der „Ruhrfahrzeugbau – R. Müthing, Herne“. Diese wurde im Jahr 1953 vom gebürtigen Sauerländer Romanus Müthing aus der „M.E.V. Studiengesellschaft für Fahrzeugentwicklung“ gegründet. Zusammen mit einem Team von acht Mitarbeitern pachtete er eine kleine Halle in einer ehemaligen Sackfabrik an der Baumstraße, wo schon bald die ersten Prototypen des Pinguins gebaut werden sollten. Wolfgang Bruch ist mit der Anfangszeit des Pinguins gut vertraut: „Für den Bau des Autos wurden Fahrzeugteile aus dem Zubehör anderer Wagen verarbeitet. Der Pinguin ist sozusagen zusammengepuzzelt worden.“ Unter anderem wurden die Scheinwerfer aus dem Zubehör der Zuffenhauser Ideenschmiede „Porsche“ verarbeitet, die dem Pinguin wohl seinen bekannten Spitznamen eingebracht haben.
„Der Pinguin war ein Wirtschaftswunderfahrzeug, genauso wie viele andere Automodelle aus dieser Zeit“, erklärt Bruch, der selbst Gespräche mit den Erbauern des Pinguins geführt hat. „Die Menschen sind einfach was angegangen. Eine kleine Firma in Herne hat sich gesagt: Wir wollen ein kleines Auto bauen – und es auch gemacht.“ Beflügelt wurden die Pioniere des Pinguins, die selbst nicht vom Fach waren, von den positiven wirtschaftlichen Entwicklungen im Nachkriegs-Deutschland.
Trotz der Motivation aus dem eigenen Gründergeist ergaben sich für Romanus Mü-thing Probleme in der Fahrzeugentwicklung. Auf der Suche nach einem Lizenznehmer, der für ihn eine erhebliche finanzielle Entlastung bedeutet hätte, machte ihm die Fahrtauglichkeit des Pinguins einen Strich durch die Rechnung. Viele sagten ab, weil der Pinguin nicht sicher genug im Straßenverkehr erschien. Erst nachdem er einen Konstrukteur des Fuldaer Mobils mit ins Herner Team holte, konnte das Fahrzeug umgestaltet werden. Der Prototyp wurde sicherer und haltbarer, überdies bekam der Zweisitzer eine Rückbank.
In der verbesserten Ausführung schaffte es Müthing mittels einer Zeitungsannonce, einen interessierten Lizenznehmer für den Pinguin zu finden: Rudolf Stierlen, Inhaber der Rothenburger Metallwerke, der Landmaschinen baute und nach einem neuen Geschäftszweig suchte. Noch bevor der eigentliche Vertrag unterschrieben werden sollte, gab Stierlen zwölf Versuchsfahrzeuge in Auftrag, die sich später auf der Langstrecke beweisen mussten. Obwohl es so im Mai 1954 die ersten Pinguine auf die Straßen schafften, wurde aus dem Vertrag zwischen Müthing und Stierlen nichts. Das Aufkommen anderer Kleinfahrzeuge – etwa BMW Isetta oder Goggomobil – machten den Pinguin, so Rudolf Stierlen damals, „nicht mehr zeitgemäß“. Im Dezember 1954 teilte Stierlen mit, dass er den Pinguin nicht mehr bauen würde. Damit endete die kurze Geschichte der Autostadt Herne – alle Mitarbeiter wurden entlassen, die Produktionsstätte aufgegeben.
„Heute ist das Interesse für den Pinguin leider kaum noch vorhanden“, weiß Wolfgang Bruch. „Würde es ihn noch auf den Straßen geben, wäre er kaum fahrtüchtig.“
Das dreirädrige Gefährt mit einer maximalen Geschwindigkeit von immerhin 80 km/h sollte, so der Herner Rechtsanwalt, aber nicht unterschätzt werden: „Ich würde mich sehr freuen, wenn noch mehr Menschen den Pinguin als Symbol für Herner Pioniergeist betrachten würden.“