In Herne herrscht nach der Festnahme des Mörders eine Mischung aus Erleichterung und Betroffenheit. Im Rathaus liegt ein Kondolenzbuch aus.
Einer ganzen Stadt fällt ein Stein vom Herzen. Marcel H. hat sich am Donnerstagabend nach drei Tagen Flucht der Polizei gestellt. Der 19-Jährige hatte am vergangenen Montag mutmaßlich einen neunjährigen Jungen in Unser Fritz umgebracht. Im Zuge der Festnahme entdeckten die Polizeibeamten in einer Wohnung an der Sedanstraße in Baukau die Leiche eines 22-jährigen Mannes.
Belastung bis zur Schmerzgrenze
Oberbürgermeister Frank Dudda ist auch am Freitag neben der Erleichterung eine tiefe Betroffenheit anzumerken. „Wir sind einerseits erleichtert, dass der mutmaßliche Täter nun endlich gefasst werden konnte. Zugleich sind wir aber auch tief bestürzt über das zweite Opfer. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen.“ In den vergangenen Tagen habe sich eine Teillähmung in der Stadt breit gemacht.
Auch im Rathaus sei eine Schockstarre spürbar gewesen und habe den normalen Betrieb erheblich beeinträchtigt. Die Belastung habe teilweise die Schmerzgrenze erreicht. Die Trauerphase werde sicher noch die nächsten Tage und Wochen andauern, das Leben werde sich nur schrittweise normalisieren. Im Laufe des Tages trat Dudda noch einen schweren Gang an und traf die Eltern des getöteten neunjährigen Jungen.
Interview-Marathon für Imbiss-Wirt
Als Zeichen des Mitgefühls und der Trauer um die beiden Opfer hängt die Herner Flagge vor dem Rathaus auf Halbmast. Dort können Bürger auch in einem Kondolenzbuch ihre Anteilnahme ausdrücken. Die ersten Beileidsbekundungen waren am Freitagmittag zu lesen: „Es war viel zu früh für Jaden, doch er wird immer in unserer Erinnerung bleiben“, schreiben Melanie Freese und Mirko Gudd. Das Kondolenzbuch ist während der Rathaus-Öffnungszeiten montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr zugänglich.
Zu einem gefragten Gesprächspartner bei Journalisten aus ganz Deutschland wurde Georgios Chaitidis, der Inhaber des Thessaloniki-Grills, in dem sich Marcel H. der Polizei gestellt hatte. Kaum hatte Chaitidis gestern seinen Imbiss aufgeschlossen, richten sich Mikrofone und Kameras auf ihn. Chaitidis berichtete, wie er die Situation erlebte: „Gestern Abend kam ein junger Mann in meinen Grill“, erzählte er Freitagvormittag. „Der sagte: ‘Bitte ruf die Polizei’. Da hab ich nur gefragt, wer er eigentlich ist.“ Der junge Mann habe gesagt, er sei Marcel H., „guck im Internet nach, da ist überall mein Foto.“ Chaitidis weiter: „Da habe ich mit dem Tablet geguckt und nur gesagt, Marcel H. hat eine Brille, wo ist deine Brille? Da sagte er, dass er sie verloren hätte.“ Ganz in Ruhe erzählte Chaitidis, dass er Marcel H. sofort erkannt habe, obwohl er keine Brille getragen habe. Der 56-jährige habe seine Frau, die hinten in der Küche stand, auf griechisch informiert, und dann habe sie die Polizei gerufen. Er habe sich solange weiter mit dem 19-Jährigen unterhalten. „Marcel war ganz ruhig, hat überhaupt nichts gemacht“, erzählte der Wirt. „Er sagte auch, dass er die meiste Zeit am Bahnhof war. Ich war gar nicht in Angst. Das war ein kleiner Junge.“ H. habe sich von der Polizei „ganz ruhig festnehmen“ lassen.