Herne. . Nach der Tötung eines Neunjährigen steht Herne unter Schock. Nachbarn sind fassungslos, die Schule des Jungen erhält Hilfe, der OB trauert.
- Nach Tötung eines Neunjährigen: Nachbarn sind fassungslos; mutmaßlicher Täter (19) ist auf der Flucht
- Schule des Jungen erhält professionelle Hilfe. Schulaufsicht schottet alle Herner Grundschulen ab
- Polizei durchsucht unter anderem Wald an Wiedehopfstraße und Kleingartenanlage Wanne-Nord
Eine Stadt unter Schock: Nach dem gewaltsamen Tod eines neunjährigen Jungen am Montagabend in der Dannekamp-Siedlung in Unser Fritz herrschte am Dienstag Entsetzen und Betroffenheit. Während die Polizei nach dem mutmaßlichen Täter Marcel H. (19) fahndete, reagierten Nachbarn fassungslos auf die Bluttat. Schüler und Lehrer der Grundschule des erstochenen Jungen wurden psychologisch betreut; alle Herner Grundschulen wurden vor der Öffentlichkeit abgeschirmt.
Tat und Tatort
Tatort ist nach Angaben der Polizei der Keller eines Reihenhauses an der Fleithestraße; die Familie des Opfers wohnt nebenan. Marcel H. soll den Jungen am Montagabend nach 18 Uhr erstochen haben. Im Internet sowie im sogenannten Darknet brüstete er sich anschließend mit der Tat; diese soll er auch durch Fotos und ein Video dokumentiert haben. Bereits zuvor soll Marcel H. im Netz Suizidabsichten geäußert haben. Die nach dem Internetgeständnis informierte Polizei entdeckte gegen 20.35 Uhr im Keller den Leichnam, vom mutmaßlichen Täter gab es keine Spur.
Der 19-Jährige habe bis vor kurzem mit seinen Eltern in dem Reihenhaus gelebt, sagt Polizeisprecher Volker Schütte. Während die Eltern in eine andere Stadt umgezogen seien, sei Marcel H. nach wie vor an der Fleithestraße gemeldet. Der 19-Jährige Kampfsportler sei arbeitslos. Er habe einen Schulabschluss, aber keine Berufsausbildung. Er gelte als verschlossen und soll wenig soziale Kontakte haben. Strafrechtlich sei er bisher nicht in Erscheinung getreten, so die Polizei.
Die Nachbarn
Auch in der Dannekamp-Siedlung ist Marcel H. offenbar kaum bekannt. „Ich habe ihn mehrmals gesehen, wie er an unserem Haus vorbeigegangen ist. Er wirkte auf mich ganz normal. Ich hätte so etwas nie für möglich gehalten“, sagte Anwohner Bernd Koch (66). Er sei noch immer geschockt. Auch Anwohnerin Waltraud Schäpes-Pultar zeigte sich betroffen. Sie habe am Montagabend gesehen, wie eine Frau - offenbar die Mutter des Jungen - auf die Straße gelaufen sei und „mein Junge, mein Junge“ geschrien habe, berichtete sie. Der in der Siedlung wohnende CDU-Stadtverordnete Jürgen Hausmann erfuhr dagegen erst am Dienstag von der Bluttat: „Ich bin fassungslos.“
Die Fahndung
Die Polizei fahnde „unter Hochdruck“ nach Marcel H., so Sprecher Schütte. Am Dienstag wurde unter anderem ein Waldgebiet an der Wiedehopfstraße in Unser Fritz durchkämmt. Auch in der Kleingartenanlage Wanne-Nord an der Fleithestraße suchten Polizisten ergebnislos.
Die Fahndung beschränke sich nicht auf Herne, sondern umfasse mehrere Städte, so der Polizeisprecher. Es sei „äußerste Vorsicht“ geboten: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Marcel H. gewaltbereit sei. Im Internet soll er zudem weitere Taten angekündigt haben. Wer auf den 19-Jährigen treffe, solle umgehend die Polizei informieren.
Die Schule
Das Opfer hatte die Grundschule an der Laurentiusstraße in Wanne besucht. Ein Kriseninterventionsteam sei am Dienstag mit Schulpsychologen vor Ort gewesen, um Schüler und Lehrer zu betreuen, sagt Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Auch in den folgenden Tagen solle es an der Laurentiusschule eine Begleitung durch Psychologen und Notfallseelsorger geben. Am Mittwoch finde eine schulinterne Andacht statt, so Söbbeler. Die Schule war für die WAZ nicht zu erreichen.
Auch für alle anderen Herner Grundschulen hatte die Gewalttat Folgen: Auf Weisung der Schulverwaltung sollten die Kinder in der Pause nicht auf den Schulhof gehen, Tore und Eingangstüren blieben verschlossen. In einem Elternbrief informierten Grundschulen über die Hintergründe. Die Erziehungsberechtigten wurden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Schüler in Gruppen nach Hause gehen beziehungsweise abgeholt würden. Das sei aber weniger als Sicherheitsmaßnahme zu verstehen, so die Bezirksregierung auf Anfrage. Sondern? „Wir wollten den Schulen einen Schutzraum geben, in dem sich Lehrer und Schüler austauschen können“, so Söbbeler.
Auch der „Schutz“ vor Medien - in Herne rückten am Dienstag zahlreiche TV-Teams und Reporter an - spielte eine Rolle: „Wir wollten keine Bilder ,produzieren’“, sagte Stadtsprecher Christoph Hüsken.
Der Oberbürgermeister
Oberbürgermeister Frank Dudda nahm auf Facebook Stellung. Zu einem schwarzen Bild postete er: „Herne trauert: Wir sind fassungslos und schockiert und unendlich traurig. Unser ganzes Mitgefühl gehört den Angehörigen und Freunden des Opfers.“