Die Immobilienmakler Ralf und Alexander Müller fordern einen City-Manager für den Einzelhandelsstandort Herne, um einem Abrutschen vorzubeugen.
- In den Nachbarstädten werden einige Center beim Kampf um Umsätze professionell gemanagt
- Wer sich in Herne auf die Kundschaft richtig einstellt, kann gute Geschäfte machen
- Das Konzept für das ehemalige Hertie-Haus sehen die Makler kritisch
Xenos, Leder Droste, Optik Konstandt - drei Geschäftsaufgaben innerhalb weniger Wochen auf dem gut frequentierten Teil der Bahnhofstraße haben aufhorchen lassen. Deshalb stellt sich die Frage, welche Risiken, aber auch Chancen der Einzelhandelsstandort Herne hat. Der langjährige Herner Immobilienmakler Ralf Müller (58) und sein Sohn Alexander Müller (24) erläutern im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann, was aus ihrer Sicht erforderlich ist, um die Herner Innenstadt zu stärken.
Waren Sie überrascht von den Geschäftsschließungen auf jenem Stück der Bahnhofstraße, das bislang als unproblematisch gilt?
Ralf Müller: Ein wenig, aber wenn man ein wenig darüber nachdenkt, sind das auch hausgemachte Probleme. Xenos hat einen Zentraleinkauf in Holland, aber der deutsche Kunde ist ein anderer als der holländische. Und wenn man als Optiker 20 Jahre alleine in der Fußgängerzone ist und dann kommen Wettbewerber dazu, die Brillen deutlich günstiger anbieten, muss man überlegen, ob man das mitmacht oder geht. Herne ist eine Arbeiterstadt und hier muss man sich auf diese Kundschaft einstellen. Wer das kann, macht hier gute Geschäfte.
Das heißt, dass für Sie die Bahnhofstraße zwischen City Center und Robert-Brauner-Platz funktioniert?
Alexander Müller: Fast nur noch bis zur Lage der Mayerschen Buchhandlung. Dort, wo das ehemalige Hertie-Haus steht, schon nicht mehr. Die Galerie tut sich beispielsweise schon sehr schwer und das Hertie-Haus ist ein riesiges Problem. Studentenwohnungen oder Altenwohnungen für fünf bis acht Euro pro Quadratmeter in den Obergeschossen wären ein durchaus nachhaltiges Konzept, jedoch keine Büroflächen, denn die lassen sich an dieser Stelle kaum vermieten.
Kann nach Ihrer Meinung das Konzept der Landmarken AG für das Hertie-Haus aufgehen?
Ralf Müller: Ich glaube nicht. Man braucht zum Beispiel kein Restaurant, es gibt in der Herner Innenstadt keinen Bedarf für das Mittags-Geschäftsessen. Wer in Herne arbeitet und mittags Pause hat, kauft einen Snack und die Jugend zieht es weiterhin abends ins Bermuda-Dreieck nach Bochum.
Alexander Müller: Ein weiterer Hauptgrund, warum es in der Innenstadt keinen Bedarf mehr für System-Gastronomie gibt, sind die Gastronomieansiedlungen neben Decathlon auf der Grünen Wiese.
Wie wichtig ist eine Revitalisierung des Hertie-Hauses?
Ralf Müller: Sie müssen eins sehen: Der Kuchen wird nicht größer, das Geld wird nicht zweimal ausgegeben. Wer bei Hertie einzieht, nimmt eventuell anderen Händlern auf der Bahnhofstraße Umsatz weg. Außer einem großen hochwertigen Textilmieter deckt die Fußgängerzone Hernes schon viel des Bedarfs ab.
Können Hertie und das City-Center, wenn sie revitalisiert sind, Kaufkraft, die abgewandert ist, zurückholen?
Ralf Müller: Ja, wenn sie die richtigen Mieter haben. Was ist die Funktion des Handels? Er muss ein Sortiment gestalten, das was der Kunde möchte. Das Problem besteht heute nur darin, dass es kaum noch den inhabergeführten Einzelhändler gibt, sondern nur noch austauschbare Filialisten, die den Bedarf nicht lokal bestimmen, sondern zentral und das ist nicht immer richtig.
Alexander Müller: Unserer Ansicht nach war der zweite Gewinner beim Wettbewerb um das Hertie-Haus der bessere, weil er schon 40 Objekte dieser Art entwickelt und somit reichlich mehr Erfahrung hat. Warum wird nicht jemand gefragt, der Ahnung von diesem Geschäft hat? Wir haben ganz große Zweifel an der Vermietbarkeit des Hertie-Hauses mit dem aktuellen Konzept. Wer in Aachen gut vermieten kann, kann das nicht unbedingt in Herne. Hier im „Pott“ ticken die Uhren etwas anders.
Wie sieht es mit dem City-Center aus?
Ralf Müller: Dort gab es 20 Jahre lang ein Management, das alles besser wusste. Das Ergebnis kennen wir.
Was müsste denn dort geschehen?
Ralf Müller: Es müsste zum Beispiel so viel Fassade wie möglich zur Bahnhofstraße geöffnet werden. Das Obergeschoss im jetzigen Zustand ist unvermietbar und die Einzelhandelsfläche braucht auch niemand mehr.
Wie groß ist der Einfluss des Internets auf den stationären Handel?
Ralf Müller: Riesig, die Mieten werden sinken, weil die Kalkulation des Handels eine andere ist. Besitzer haben Probleme, Mieter für leerstehende Ladenlokale zu finden. Es gibt riesige Umwälzungen im Markt.
Haben einige Besitzer auf der Bahnhofstraße angesichts der Internetkonkurrenz noch falsche Mietvorstellungen?
Beide: Ganz klar Ja. Eigentümer müssen den Maklern zuhören, sonst werden sie vom Markt bestraft. Mit Leerstand. Die Besitzer müssen in die Ladenlokale investieren, manche stammen noch aus den 70-ern. Säulen, Treppen, Sichteinschränkungen müssen umgebaut werden. Wir haben das auf der Bahnhofstraße 32 für Hunkemöller gemacht. Der Erfolg gibt uns Recht. So werden wir auch das Objekt von Leder Droste umbauen.
Muss es in Herne das Bestreben sein, einen unverwechselbaren Handelsmix haben?
Ralf Müller: Das sollte immer das Bestreben sein. Aber das hinzubekommen, ist sehr schwierig. Die Stadt hat hier ein Marketingproblem. Ich mache nun seit 20 Jahren Marketing für die Fußgängerzone. Ich habe hier 32 Läden vermietet. Die Bahnhofstraße war immer ein wenig mein Baby. Wir brauchen einen städtischen City-Manager, der zuständig ist für das Einkaufszentrum Bahnhofstraße. Das muss ein Kenner des Einzelhandels sein.
Wenn Sie einen Vollzeit-Centermanager fordern, mit welcher Zielrichtung? Um die Bahnhofstraße zu retten oder wieder richtig nach vorne zu bringen?
Ralf Müller: Beides. Wenn das jetzt nicht geschieht, wird das Einkaufszentrum Herne Bahnhofstraße hinten rüber fallen, weil um Herne herum schon einige Center professionell gemanagt werden und jedes Center um Umsätze kämpft. Noch müssen wir nichts retten, aber Agieren ist immer besser als Reagieren.
>> BAHNHOFSTRASSE HAT LANGE GESCHICHTE
Die Bahnhofstraße war früher Teil einer Handelsstraße, die von Köln nach Münster führte. Nach der Eröffnung des Bahnhofs Herne-Bochum an der Köln-Mindener Eisenbahn 1847 erhielt sie zunehmende Bedeutung für den Straßenverkehr. In dieser Zeit begann auch die Ansiedlung von Geschäftsleuten und Gastwirten.
Spätestens in den 1960er-Jahren war die Bahnhofstraße zu einer vollkommen überlasteten innerstädtischen Verkehrsader geworden. 1970 wurde die Bahnhofstraße für den Durchgangsverkehr gesperrt.
1976 wurde sie zwischen Bahnhof und City-Center Fußgängerzone. Im Dezember 2002 war die Neugestaltung des Boulevards Bahnhofstraße abgeschlossen.
>> MAKLER MIT JAHRELANGER ERFAHRUNG
Ralf Müller ist seit mehr als 30 Jahren Immobilienmakler. Der gebürtige Herner hat mit seinem Unternehmen den Sitz an der Bahnhofstraße, die er als sein Baby bezeichnet.
Mit seinem Unternehmen ist Müller in ganz Nordrhein-Westfalen - aber auch bundesweit - in den Bereichen Vermietung, Verkauf und Projektentwicklung aktiv.