Herne. . CDU-Politikerin Sommer fordert klare Haltung zu Wahlkampfbesuch des türkischen Staatschefs. Müntefering (SPD) kritisiert Yücel-Inhaftierung.
- Renate Sommer (CDU): Wahlkampf-Auftritt Erdogans in Deutschland wäre „unerträglich“
- Michelle Müntefering (SPD) kritisiert Inhaftierung des Journalisten Yücel in der Türkei
- Integrationsrats-Chef fordert: Türkischstämmige sollen sich in Deutschland politisch einbringen
Darf der türkische Staatschef Erdogan in Deutschland bei seinen Landsleuten Wahlkampf für sein Verfassungsreferendum machen? Wie ist die in der Türkei angeordnete Untersuchungshaft des Journalisten Deniz Yücel zu bewerten? Aus der Herner Politik gibt es zu diesen Fragen klare Antworten.
Einen Wahlkampf-Auftritt von Erdogan in Deutschland fände sie „unerträglich“, sagt die Herner Europaabgeordnete Renate Sommer. „Er würde damit unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ausnutzen und für seine Zwecke missbrauchen“, so die Christdemokratin.
Bundesregierung soll klares Zeichen setzen
Es könne nicht sein, dass ein „angehender Diktator“ in unserem demokratischen Staat Werbung für sich mache. Die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht ließen solche Veranstaltungen zwar zu. Aber: Merkel & Co. könnten mit klaren öffentlichen Worten Auswüchse verhindern: „Sie müsste Erdogan ganz deutlich machen, dass er hier unerwünscht ist.“
Wenig Verständnis bringt Sommer für jene Deutsch-Türken auf, die jüngst in Oberhausen dem türkischen Ministerpräsidenten Yildirim applaudiert hätten: „Sie leben bei uns in Freiheit und genießen alle Vorzüge, bejubeln aber den Abbau der Demokratie in der Türkei.“
Keine Kritik, aber einen Appell richtet Integrationsratsvorsitzender Muzaffer Oruc an deutsche Erdogan-Unterstützer: „Türkischstämmige Menschen sollten sich lieber mit der deutschen Politik befassen und sich hier aktiv einbringen.“ Und: Wenn auch noch die „Reizfigur“ Erdogan in Deutschland für die Präsidial-Verfassung Wahlkampf machen würde, dann würde sich die Spaltung in der türkischen Community noch verstärken: „Es ist schon jetzt eine sehr starke Polarisierung zu beobachten“, berichtet Oruc. Er wünschte sich deshalb, dass der türkische Staatschef auf einen Auftritt in Deutschland verzichtet.
Oruc hofft auf schnelle Freilassung von Yücel
Eine klare Position bezieht der Integrationsratsvorsitzende zur Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel: „Das geht überhaupt nicht.“ Er sei zwar kein Fan des journalistischen Stils des aktuellen „Welt“-Korrespondenten und früheren „taz“-Redakteurs. Aber er hoffe, „dass Yücel schnell wieder frei kommt“.
Darauf setzt auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering - und hat dies mit einer Unterschrift unter einen offenen Brief an den türkischen Botschafter untermauert.
Belastung für deutsch-türkische Beziehungen
„Presse- und Meinungsfreiheit sind die höchsten Güter der Demokratie“, sagt die frühere Journalistin. Dass Yücel nun in Untersuchungshaft müsse, sei „unverständlich, überzogen und belastet erneut die deutsch-türkischen Beziehungen“.
Und zu Erdogan: „Der Staatspräsident der Türkei ist zur Neutralität verpflichtet. Wenn er tatsächlich in Deutschland Wahlkampf macht, wäre das ein klarer Verfassungsbruch nach türkischem Recht“, so Müntefering. Es wäre in Deutschland schwer zu ertragen, wenn hier die Abwendung von der Demokratie gepredigt werden sollte.
Müntefering spricht mit Oppositionellen
Flagge zeigt Müntefering auch in der Türkei. Als Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe war sie jüngst in Ankara. Dort habe sie neben Regierungsvertretern auch die Opposition sowie bekannte Intellektuelle getroffen, die zum Teil selbst von Verfolgung bedroht seien, berichtet die Abgeordnete.
In Gesprächen mit der prokurdischen Oppositionspartei HDP sei es auch um das vom Bundestag aufgelegte Patenschaftsprogramm gegangen. Wie berichtet, hat die Sozialdemokratin mit Dietmar Bartsch (Linke) die Patenschaft für die inhaftierte HDP-Co-Vorsitzende Figen Yüksekdağ übernommen. Über deren Anwälte seien Grüße ausgetauscht worden, Briefe seien unterwegs. Und die HDP habe erst am Dienstag mitgeteilt, wie wichtig das Patenschaftsprogramm sei.