Herne. . Die Unfallfluchten in Herne nehmen zu. Autobesitzer bleiben häufig auf ihrem Schaden sitzen. Die Polizei will das ändern.

  • Immer häufiger kümmern sich Unfallverursacher nicht um den Schaden, den sie hinterlassen
  • Polizei will im Jahr 2017 intensiver nach Unfallflucht ermitteln, kündigt sie an
  • Auch Verletzte werden laut Statistik zunehmend im Stich gelassen

Eine kontinuierlich steigende Zahl von Verkehrsunfällen, bei denen sich die Verursacher einfach aus dem Staub machen, verzeichnet das Bochumer Polizeipräsidium. Dabei handelt es sich zwar meistens um kleine Rempler, um Blechschäden. Aber – und das stuft die Polizei als besonders brisant ein – auch die Unfälle mit Verletzten nehmen zu, in denen sich Fahrer einfach entfernen, ohne dem Opfer zu helfen.

In der in dieser Woche veröffentlichten Jahresstatistik steht es schwarz auf weiß: Von 2011 bis 2016 stieg in Herne die Zahl der Verkehrsunfälle mit Unfallflucht von 916 auf 1108. Verletzte im Spiel waren 2011 insgesamt zehn, während die Statistik für das vergangenen Jahr schon auf 24 Fälle kommt. „Die Schadenshöhe kann im Fall von Unfallflucht schnell in die Tausender gehen, und der Fahrzeughalter bleibt auf dem Schaden sitzen“, sagt Polizeisprecher Volker Schütte.

Linker Kotflügel bei Herner beschädigt

Julian Gentilini aus Herne-Süd ist genau das widerfahren. Als der Krankenpfleger am 23. Januar nach Feierabend in seinen VW Golf 7 steigen will, bemerkt er, dass der linke Kotflügel beschädigt ist: Die Oberfläche ist bis auf die Grundierung abgetragen.

Ein anderes Auto müsse seinen Golf gestreift haben, so erklärt Gentilini sich den Schaden. Weder Zeugen noch Täter waren in Sicht. „Ich schaute direkt, ob der Täter zu sehen oder ein Zettel an der Windschutzscheibe aufzufinden war“, sagt Gentilini. Nach Schätzung eines Sachverständigen belaufen sich die Reparaturkosten auf bis zu 1900 Euro. Trotz Vollkasko-Versicherung muss Gentilini 300 Euro beisteuern und wird im kommenden Jahr in der Schadensfreiheitsklasse hochgestuft. „Diese Situation ist für mich so, als wenn ich den Unfall selbst verursacht hätte“, sagt er.

Polizei: Kein Kavaliers-, sondern ein Massendelikt

Unfallflucht ist „kein Kavaliers-, sondern ein Massendelikt“, erklärt Polizeisprecher Volker Schütte. Im Jahr 2016 erfasste die Polizei in Herne 5182 Verkehrsunfälle, mehr als ein Fünftel davon mit Unfallflucht. Die Aufklärungsquoten stiegen, sagt Schütte als Warnung an Autofahrer, „nicht bei Bagatell-Unfällen einfach weiterzufahren“. Die Wahrscheinlichkeit als flüchtiger Autofahrer ausfindig gemacht zu werden, sei sehr groß. Zumindest dann, wenn Menschen verletzt werden.

41,8 Prozent der Fälle mit Personenschaden konnten aufgeklärt werden, im Jahr zuvor lag die Quote sogar bei 68,2 Prozent der gemeldeten Unfälle. Die Polizei habe beachtliche technische Möglichkeiten in der Beweissicherung entwickelt und arbeite akribisch: Marke und Typ des Flucht-Autos könnten ermittelt werden. „Wir stellen uns auch die Frage: Wieso machen Menschen das? Denn jedes Auto ist versichert.“

Die Gründe für Fahrerflucht seien verschieden: die Furcht, in der Auto-Versicherung hochgestuft zu werden, Alkohol und Drogen am Steuer oder auch die Angst davor, zu Hause von dem Unfall erzählen zu müssen, treibe vor allem junge und ältere Menschen zur Fahrerflucht, vermutet Schütte. Die Polizei kündigt an, ihre Ermittlungsarbeit nach Verkehrsunfällen mit Unfallflucht zu erweitern.

Polizei sucht flüchtende Fahrer

Dass passt zu dem Thema: Ein Lkw- und ein Autofahrer haben sich am Mittwoch nach Unfällen aus dem Staub gemacht. Die Polizei sucht nun Zeugen. Nach Angaben der Polizei wurde eine Autofahrerin (81) gegen 10.15 Uhr auf der Recklinghauser Straße in Wanne-Nord in Höhe der Autobahnauffahrt der A42 von einem Lkw abgedrängt, der gerade die Spur wechselte. Es kam zum Zusammenstoß. Um auf sich aufmerksam zu machen, hupte die 81-Jährige und gab Warnlicht, doch der Lkw-Fahrer fuhrt auf die A42 Richtung Duisburg, ohne sich um die Unfallaufnahme zu kümmern. Schaden: etwa 1900 Euro.

Gegen 15.45 Uhr kam es auf der Berliner Straße in der Nähe des Wanne-Eickeler Hauptbahnhofs zur zweiten Fahrerflucht. Eine Autofahrerin (18) fuhr nach Polizeiangaben bei Grün über die Kreuzung Heidestraße und stieß dabei mit einem Linksabbieger zusammen, der aus Richtung Crange in die Kreuzung einfuhr. Anschließend fuhr der Unbekannte – laut Polizei ein etwa 25-jähriger, südländischer Mann mit Bart – in seinem weißen BMW davon. Schaden: etwa 1500 Euro. Verletzt wurde bei beiden Unfällen niemand. Zeugen: 0234/909-5206 (Polizei).