Herne. . Das Lukas Hospiz als Ort der letzten Lebensphase existiert seit zehn Jahren. Wie sich ein Bewohner fühlt, erzählt Michael Sperlich.
- Seit zehn Jahren gib es das Lukas Hospiz als einen Ort zum Verbringen der letzten Lebensphase
- Wie sich ein Gast im Hospiz fühlt, erzählt Michael Sperlich, der dort mit Leberkrebs lebt
- Sperlich blickt dankbar auf die Behandlung der Betreuer vor Ort zurück
Wer im Lukas Hospiz ein Zimmer bezieht, weiß, dass hier aller Wahrscheinlichkeit nach sein letztes Bett steht. Deswegen spricht die Leiterin des Lukas Hospizes, Anneli Wallbaum, auch von „Gästen“, nicht von Patienten. Patienten werden behandelt, bei ihnen besteht die Aussicht auf Gesundung. Die Gäste im Hospiz werden betreut, oft mit Schmerzmitteln – und sehr viel Liebe.
Rund 600 Besucher waren gekommen, um im Rahmen eines Tages der offenen Tür das zehnjährige Bestehen des Lukas Hospizes auf der Jean-Vogel-Straße zusammen mit den Hausgästen und den Mitarbeitern zu feiern. Es gab einen Gottesdienst mit Weihbischof Manfred Grote, einen Festakt, Vorträge, Musik und Gegrilltes. Viele Besucher, so Anneli Wallbaum, waren Angehörige von Menschen, die hier ihre letzten Lebensort gefunden haben. Zehn Betten stehen zur Verfügung; sie sind alle belegt. Die meisten Gäste haben Tumore. Auf der Warteliste stehen zurzeit 17 Menschen. Die Gäste werden immer jünger, beobachtet Wallbaum. „Bei Jüngeren verläuft die Krankheit rasanter“, stellt sie fest. Um die Gäste kümmern sich 20 Mitarbeiter. „Wohlbefinden ist unser oberstes Gebot“, so Anneli Wallbaum. „Hier darf Sterben sein, wir wollen die Zeit, die bleibt, so angenehm wie möglich gestalten.“
Annelie Wallbaum hat ein Gespräch mit einem Hausgast vermittelt. Michael Sperlich will unbedingt reden, er wartet bereits ungeduldig. Der Bochumer hat Leberkrebs, nach eigener Einschätzung hat er noch zwei Monate zu leben. Michael Sperlich ist 52 Jahre alt. Und er ist begierig darauf, einen intimen Einblick in das Leben eines Todgeweihten zu geben.
„Gehen wir in meine Kemenate“, scherzt er, die Kaffeerunde verlassend. Im Gästezimmer bietet er Wasser und Bonbons an, dann nimmt er in einem Sessel Platz. Er wirkt matt, aber nicht müde. Er bekommt drei Morphiumtabletten am Tag, gegen das ständige Jucken, nicht gegen Schmerzen. Manchmal wacht er nachts um halb drei auf und hält es nicht mehr aus.
Das Jucken. Weil seine Leber nicht mehr funktioniert, juckt es am ganzen Körper, Arme und Beine sind von Kratzwunden übersät. Linderung bringt auch das tägliche Bad um 9 Uhr. „Das ist für mich ein Highlight des Tages.“ Er badet eine halbe Stunde in einer besonderen Wanne, für das Ein- und Aussteigen braucht er Hilfe. Nach dem Bad legt er sich wieder hin und schläft bis zum Mittagsessen.
Dankbar zurückblicken
Sperlich hat 23 Jahre lang als Energieanlagenelektroniker bei Opel gearbeitet. Als das Bochumer Werk schloss, hat er umgeschult. Als Versicherungskaufmann musste er Klinken putzen. „Das hat mit den Tod gebracht“, ist er überzeugt. „Das ging mir auf die Galle. Aber beweisen kann man das nicht.“ Sein Arzt sprach von „Schicksal“. Sperlich hat kein ausschweifendes Leben geführt, mäßiger Alkoholkonsum, als junger Mann geraucht. Sperlich ist verheiratet und hat zwei Söhne im Alter von 15 und 18 Jahren.
„Mein Frau geht super mit meiner Krankheit um“, sagt er. „Meine Kinder gehen gar nicht damit um, keine Reaktion, keine Fragen.“ Die Diagnose Leberkrebs ist ihm am 3. September 2016 gestellt worden; seit einer Woche ist er Gast im Lukas Hospiz. Wenn man so will, war das schnelle Zimmer Glück; er musste nicht warten. Nach der Diagnose hat er erst einmal „aufgeräumt“. „Ich habe alle Werkzeuge weggeschmissen, meine Frau kann damit nichts anfangen.“ Im Lukas hat er einen Laptop. Wenn er sich fit fühlt, ordnet er Bilder und benennt Familienfotos.
Jetzt wird er immer matter, will aber noch etwas loswerden: „Ich weiß nicht, wie ich mich bedanken soll bei all den Pflegern. Diese ewige Freundlichkeit. Mit so viel Mitgefühl kann man gar nicht rechnen.“ Besonders religiös ist Michael Sperlich nicht, aber er glaubt an ein Leben nach dem Tode. „Ich freue mich, bald viele liebe Leute wiederzusehen.“ Und dann verrät er noch sein Motto: „Sterben ist nicht schlimm. Schlimm ist, nicht gelebt zu haben.“