Herne. . Frauen mit und ohne Migrationshintergrund bilden bei ID55 Paare: Die einen erzählen aus ihrem Leben, die anderen schreiben das Gehörte auf.

Knapp drei Jahre ist es her, dass sich aus dem Kreis des Vereins ID 55 die erste „Schreibwerkstatt“ formierte: Menschen in der zweiten Lebenshälfte, die zunächst einmal den eigenen Erfahrungen nachspürten. Angeleitet und inspiriert von Anette Pehrsson, einer Lektorin und Historikerin, trifft sich die Runde seitdem regelmäßig, eine zweite Gruppe ist hinzu gekommen. Jetzt startet die Schreibwerkstatt zusammen mit der Gesellschaft zur Förderung der Integrationsarbeit in Herne (gfi) ein neues Projekt. „1001 Geschichte – Geschichtensammlerinnen“ führt Frauen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zusammen.

Eine Polin, eine Russin, eine Frau aus Syrien und eine aus der Türkei: Das sind die Migrantinnen, die sich bereits für das Erzähl- und Schreibprojekt erwärmen konnten, und es sollen noch mehr werden. „Wir glauben, dass die zugewanderten Frauen sehr viel zu erzählen haben“, sagt Anette Pehrsson, die das Projekt jetzt zusammen mit der ID55-Vorsitzenden Susanne Schübel vorstellte. Die Nähe zur gfi, deren Räume die Sprachwerkstatt zeitweise nutzte, ließ die Idee einer solchen interkulturellen Zusammenarbeit aufkeimen. Bei anschließenden Recherchen stieß Pehrsson auf ein ähnliches Projekt in Essen, „Erzähl mir deine Geschichte“.

Frauen-Tandems treffen sich einmal im Monat

Wie in Essen sollen sich nun auch in Herne Paare bilden, sechs bis acht, bestehend aus je einer zugewanderten und einer deutschstämmigen Frau. Ein Termin zum Kennenlernen ist am 1. März beim Monatstreffen von ID55. Bereits am 8. Februar veranstaltet das Diakonische Werk – als weiterer Partner neben dem Paritätischen – eine Infoveranstaltung für alle interessierten Frauen. Bei einer Fortbildung können sich die Beteiligten anschließend die nötigen Interview- und Fragetechniken und weiteres Handwerkszeug aneignen.

Die Tandems treffen sich einmal im Monat. Ergänzend dazu reflektieren die Beteiligten in einer begleitenden Arbeitsgruppe den Schreibprozess. Und damit nicht genug: In öffentlichen Erzählcafés wird über den Fortgang von „1001 Geschichte“ berichtet. Was die Beteiligung angeht, so strebe man eine „bunte, große Bandbreite“ an, erklärt Susanne Schübel. Sprich: auch jüngere Frauen und Mütter sind noch willkommen, daher soll u.a. in Familienzentren für das Projekt geworben werden. Sprachkenntnisse sollten ausreichend vorhanden sein.

Internet-Blog und Lesung

Jüngere Mitstreiter mit und ohne Migrationshintergrund wünscht sich Susanne Schübel auch für die Dokumentation des Projekts. Sie könnten – nach entsprechender Qualifikation – mit Mitteln des „Smartphone-Journalismus“ Filme und Bilder beisteuern, die im Internet das Erzählprojekt begleiteten.

„1001 Geschichten“ ist auf anderthalb Jahre angelegt. Am Ende, im Sommer 2018, könnten die Texte öffentlich mit einer Lesung präsentiert werden – begleitet von Musik, Fotos und landestypischen Spezialitäten aus den Herkunftsländern der Erzählerinnen.

Kurs freut sich über neue Heimat im Literaturhaus

Die beiden Gruppen der Schreibwerkstatt von ID55 treffen sich seit einem Dreivierteljahr in der Alten Druckerei des Literaturhauses.

„Besser geht es nicht“, freut sich die Vereinsvorsitzende Susanne Schübel über das Angebot von Elisabeth Röttsches an die Literaturwerkstatt, den Raum kostenfrei zu nutzen. Die Überschneidungen lägen auf der Hand: Viele ID55-Mitglieder seien Stammgäste im Literaturhaus, umgekehrt gehöre Elisabeth Röttsches zu den ID55-Mitgliedern der ersten Stunde.

Freude am geschriebenen und gesprochenen Wort

„Menschen, die dem geschriebenen und gesprochenen Wort eine große Bedeutung beimessen, haben wir gerne um uns“, begründet Röttsches als Geschäftsführerin des Literaturhauses ihr Entgegenkommen. „Einen schöneren Ort kann ich mir nicht vorstellen“, zeigt sich auch Anette Pehrsson als Leiterin der Schreibwerkstatt begeistert. Sie gibt nicht nur Hinweise zum Schreiben, sondern auch Literatur-Tipps weiter. Da sei ein Buchladen gleich nebenan hilfreich.

Momentan gibt es zwei Gruppen, eine Morgengruppe und eine Abendgruppe. Nach einem Einstieg über autobiografisches Schreiben stellen sich Anette Pehrssons Teilnehmer später unterschiedlichen Themen wie „Freiheit“ oder „Eine Zeitreise in die Kindheit“. Die Gruppe hat 2015 das Buch „Fundstücke“ herausgegeben und liest daraus auch gelegentlich.

>>> MEHR INFORMATIONEN

Für alle Frauen findet am Mittwoch, 8. Februar, um 18 Uhr beim Diakonischen Werk an der Altenhöfener Straße 19 eine Infoveranstaltung statt.

Beim Mittwochstreff von ID55 am Mittwoch, 1. März, um 19 Uhr in der Gaststätte „Zille“ im Kulturzentrum (Willi-Pohlmann-Platz 1) stellen zwei Initiatorinnen vom Evangelischen Bildungswerk Essen ihr Projekt vor.

Kontakt: schreibwerkstatt@ id55.de oder Herne 99 49 60.