Herne. . Die Gewerkschaft will zum Schutz von Beschäftigten im Handel weniger verkaufsoffeneSonntage in Herne durchsetzen. Ein Interview.

  • Die Dienstleistungsgewerkschaft setzt sich für weniger verkaufsoffene Sonntage ein
  • In der kommenden Woche finden Gespräche mit Stadt und Einzelhandel statt
  • Es gilt die alte Forderung nach einem sicheren freien Tag in der Woche

Herner Stadtverwaltung, Einzelhandel und Verdi setzen sich in der kommenden Woche zusammen, um die Art und Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage für 2017 zu besprechen. Die Gewerkschaft klagt derzeit in acht nordrhein-westfälischen Städten gegen die Kommerzialisierung des siebten Tages der Woche, in weiteren 25 Städten war sie bereits erfolgreich. Wir sprachen mit Michael Sievers, Gewerkschaftssekretär mit dem Schwerpunkt Handel für den Bezirk Bochum-Herne.

Herr Sievers, wie sehen Sie die Situation der verkaufsoffenen Sonntage speziell in Herne?

Sievers: Für uns ist zunächst einmal wichtig, ob die beantragten Sonntage auch rechtskonform sind. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sein sollten, würden wir trotzdem auf die Entscheidungsträger einwirken, weil wir ja grundsätzlich gegen verkaufsoffene Sonntage sind.

Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass alle Anträge auf verkaufsoffene Sonntage rechtskonform sind?

In der Vergangenheit haben die Anträge nicht das erfüllt, was auch die Landesregierung per Erlass schon 2015 herausgegeben hat. Das heißt konkret: Es müssen mehr Leute auf Grund des Anlasses in die Städte kommen als zu den Veranstaltungen, und dazu müssen ganz klare Prognosen abgegeben werden. Daran hat es in der Vergangenheit in vielen Städten gehapert, weshalb dort die verkaufsoffenen Sonntage dann vom Verwaltungsgericht untersagt wurden.

Wir haben ja vor zwei Wochen gesehen, dass man am entsprechenden Sonntag im Oberhausener Centro nur Eis essen oder Kaffee trinken, nicht aber einkaufen konnte. Könnte so etwas in Herne auch an geplanten verkaufsoffenen Sonntagen passieren?

Ich glaube, dass, wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre anschaut, es Bestrebungen gibt, verkaufsoffene Sonntage zu reduzieren. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen: Ihr könnt nicht einfach irgendwelche Anlässe schaffen, um einen verkaufsoffenen Sonntag zu generieren. Allein schon durch die Rechtsprechung der vergangenen Wochen müssen wir mit weniger verkaufsoffenen Sonntagen rechnen.

Die Händler argumentieren, dass sie mit verkaufsoffenen Sonntagen dem boomenden Online-Handel entgegen wirken wollen.

Das Argument läuft ins Leere. Wenn ich am Sonntag im Internet einkaufe, habe ich die Ware ja nicht am Sonntag. Generell gilt, wir haben den Sonntag als arbeitsfreien Tag im Grundgesetz geschützt. Wir sagen, dass das erst einmal eingehalten werden muss. Wenn der Einzelhandel mit dem Online-Handel konkurrieren will, muss er eine andere Strategie entwickeln. Stattdessen gibt es aber auch im Einzelhandel immer weniger Personal und entsprechend immer weniger Beratung. Dadurch haben die Kunden das Gefühl, dass, wenn sie tatsächlich mal in die Stadt gehen, kaum jemanden treffen, der sie beraten kann. Wenn ich bei Bekleidung oder Elektroartikeln keine Beratung bekomme, warum soll ich dann in die Stadt fahren? Da muss sich der Einzelhandel umstellen. Auch, weil der Personalmangel die Gesundheit der Beschäftigten gefährdet. Wenn Kolleginnen ganz alleine auf einer Verkaufsfläche gelassen werden, dann ist das extrem belastend. Am Ende führt das alles dazu, dass man in der Konkurrenz zum Online-Handel weiter zurück fällt.

Die Kunden scheinen aber verkaufsoffenen Sonntage zu lieben. Man sieht das, wenn sich an gesetzlichen Feiertagen bei uns beispielsweise Staus an der niederländischen Grenze bilden.

Trotzdem sind wir weiterhin politisch gegen Sonntagsöffnungen. Ich glaube, dass wir auch gut daran tun, daran festzuhalten. Es muss einen Tag in der Woche geben, an dem die Geschäfte nicht geöffnet sind, der sich von den anderen Tagen unterscheidet. Das ist wirklich ein großes Gut in unserer Gesellschaft. Das sollte man weiter schützen.

In den 70er-Jahren forderte der DGB, am Sonntag gehört mein Papa mir. Heute müsste es heißen mein Papa und meine Mama. Ist das ein Slogan aus der Mottenkiste oder finden Sie ihn nach wie vor hoch aktuell?

Ich finde diese Forderung weiterhin hoch aktuell. Und dafür gibt es nach wie vor ein Bedürfnis bei den Beschäftigten. Dass sie einen Tag besitzen, wo sie ganz klar frei haben.