Herne. . Regine Schmalhorst ist seit Jahresbeginn Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit. Im WAZ-Interview spricht sie über Probleme und Chancen.
- Die Aufgabe in Herne betrachtet Schmalhorst als eine Herausforderung
- Gemeinsam mit den Partnern will sie viel bewegen
- Neben Problemen sieht sie auch Chancen durch die Neuansiedlungen
Die Agentur für Arbeit hat seit Jahresbeginn eine neue Vorsitzende der Geschäftsführung. Dr. Regine Schmalhorst hat die Nachfolge von Luidger Wolterhoff angetreten. Ihr Schreibtisch sei schon am ersten offiziellen Arbeitstag alles andere als leer gewesen, erzählt sie. Auf Schmalhorst wartet gerade in Herne sprichwörtlich viel Arbeit. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann erläutert sie ihre Ziele.
Sie waren zuvor in Lüneburg, Soest, Zwickau und in der Regionaldirektion Sachsen in Chemnitz. Kannten Sie Herne?
Herne kannte ich nicht. Das Ruhrgebiet auch nicht wirklich. Ich habe mich hierhin beworben, weil ich der Meinung war, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, um das Ruhrgebiet kennen zu lernen.
Warum ausgerechnet Herne und Bochum?
Nachdem ich in der Regionaldirektion in Sachsen war, wollte ich wieder in einer Agentur für Arbeit arbeiten. Jetzt war ein guter Moment, weil ich in Chemnitz zu einem Zeitpunkt aufgehört habe, an dem ich ganz viel gestartet habe und zufrieden damit gewesen bin.
Herne ist aber keine einfache Aufgabe...
...Herne ist in der Tat eine Herausforderung. Es ist selbstverständlich nicht so wie in Sachsen mit zum Teil weniger als sieben Prozent Arbeitslosigkeit. Aber hier gibt es eben richtig was zu tun gemeinsam mit den Partnern, um am Arbeitsmarkt etwas zu bewegen. Und das reizt mich.
Wo sehen Sie die Probleme auf dem Herner Arbeitsmarkt?
In Herne ist mir nach den ersten Gesprächen und mit Blick auf die Zahlen aufgefallen, dass die Arbeitslosigkeit eine richtige Herausforderung ist. Und mir ist aufgefallen, dass wir einen hohen Anteil an Beziehern von Arbeitslosengeld II haben. Fast 80 Prozent der Kunden sind im Jobcenter gemeldet. Für uns wird es besonders wichtig sein, dass wir übergreifend tätig sind. Wir sind gemeinsam mit dem Jobcenter an einem Markt tätig. Wir versuchen gemeinsam, das Beste für unsere Kunden zu tun.
Wie wollen Sie dieser Herausforderung begegnen?
Ich habe schon viele Gespräche geführt. Mit meinem Vorgänger, aber auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Wir haben viel vor, wir möchten das, was in den vergangenen Jahren gestartet wurde in der Agentur, fortsetzen. Wir haben große Aufgaben vor uns, dazu gehören unter anderem die geflüchteten Menschen, die Jugendlichen, die Langzeitarbeitslosen. Aber wir haben auch die Kunden im Blick, die kein besonderes Vermittlungshemmnis haben und schnell vermittelbar sind. Auch um die wollen wir uns selbstverständlich kümmern.
Wie werden Sie Ihre Schwerpunkte setzen?
Ein Schwerpunkt muss die Qualifizierung sein, um so die Zahl der Arbeitslosen zu senken. Der Fachkräftebedarf ist deutlich zu spüren, wir brauchen immer länger, um offene Stellen zu besetzen. Unsere Aufgabe ist es, die Arbeitgeber, aber auch die Kunden so zu beraten, dass wir die Qualifizierungen passgenau setzen.
Gibt es denn auch Chancen?
Natürlich. Zum Beispiel die Ansiedlungen, die bevorstehen. Wir gehen davon aus, dass sich die Beschäftigung positiv entwickeln wird. Wir nutzen die Chancen, die wir am Markt haben. Wir unterstützen die Arbeitgeber dabei, Mut zu haben, Chancen zu schaffen. Gerade im Bereich der Ausbildung.
Wie viele der neu entstehenden Arbeitsplätze durch Neu-Ansiedlungen können mit Herner Kunden besetzt werden?
Wir hoffen möglichst viele. Aber wir müssen erstmal bei unseren Kunden schauen, wer in Betracht kommt für die Tätigkeit. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Arbeitgeber ihre Stellen sehr frühzeitig bei uns melden, nicht erst, wenn das Gebäude schon hochgezogen ist. Wir werden Zeit benötigen, um die entsprechenden Qualifizierungen durchzuführen. Und wenn noch ein Abschluss erforderlich ist, dauert eine Qualifizierung noch länger. Den großen Arbeitgebern ist vielfach nicht bewusst, dass der Vorlauf für die Rekrutierung relativ lange dauern kann. Daran müssen wir weiter arbeiten. Die Suche nach Mitarbeitern fängt schon vor der Grundsteinlegung an.
Der OB hat ein Bündnis für Arbeit auf den Weg gebracht. Wie beurteilen Sie diese Initiative?
Ich habe in Zwickau den runden Tisch Fachkräftesicherung gegründet, der einen ähnlichen Ansatz hat wie das Bündnis für Arbeit. Ich halte es für essenziell wichtig, dass alle Partner am Markt ein gemeinsames Verständnis haben und sich gemeinsam ausrichten mit dem Ziel, etwas für die Region zu tun. Die Arbeitsagentur kann so etwas nicht alleine, wir brauchen die Partner an unserer Seite, deshalb bin ich sehr dankbar, dass es das Bündnis hier gibt.
Wie schätzen Sie die Jugendarbeitslosigkeit in Herne ein?
Die Entwicklung im vergangenen Jahr war zwar leicht negativ, allerdings muss man dabei bedenken, dass viele geflüchtete Menschen dazu gekommen sind. Dabei haben wir einen hohen Anteil ohne Hauptschulabschluss. Wir müssen sicher noch ganz intensiv auf diesen Bereich schauen, aber dabei hilft uns ja die Jugendberufsagentur. In diesem Zusammenhang ist auch die Ausbildung eins unserer ganz großen Themen. Es ist wichtig, dass viel ausgebildet wird. Den Arbeitgebern muss bewusst sein: Je mehr sie ausbilden, desto mehr tun sie, um ihre eigenen Fachkräfte heran zu ziehen.
Die andere Personengruppe, die seit dem vergangenen Jahr besonders im Fokus steht, sind Flüchtlinge. Welche Hürden und welches Potenzial ergeben sich bei der Integration in den Arbeitsmarkt?
Bei Flüchtlingen ist und bleibt das Hauptthema Sprache. Wir müssen zunächst versuchen, die Sprachbarrieren zu minimieren, deshalb finden die Sprachkurse ja auch statt. Wenn ein Abschluss vorliegt, ist die Frage, ob er anerkannt wird. Wir müssen uns klar machen: Wir brauchen Zeit. Die Flüchtlinge, die jetzt ankommen, sind die Fachkräfte von überübermorgen.
>> ZUR PERSON
Regine Schmalhorst ist 1972 in Hameln geboren. Sie ist verheiratet.
Ihren beruflichen Werdegang startete Schmalhorst nach dem Studium der Rechtswissenschaften bei der Bundesagentur für Arbeit. Als promovierte Juristin arbeitete sie zunächst als Nachwuchskraft in der Regionaldirektion Nord. Nach nur wenigen Monaten übernahm sie die Leitung des Referates Förderung und wurde anschließend Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Lüneburg. Weitere Stationen ihrer beruflichen Laufbahn waren der Vorsitz der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Soest sowie in Zwickau. Von Juli 2014 bis Ende Dezember 2016 war sie die Geschäftsführerin des Internen Services der Regionaldirektion Sachsen.