Herne. . Einschlafen ist bei der Nachtschicht auf der Herner Polizeiwache nicht angesagt. Christian Thüner liebt seinen Einsatzort mitten im Revier.
Christian Thüners Schlüssel schlägt an die Zellentür. Geräuschlos öffnet sie sich und gibt den Blick frei in den Raum, in dem in Herne die bösen Jungs für eine Nacht sitzen. Nackte Matratze, Fixiermöglichkeiten, eine im Boden eingelassene Toilette, gekachelte Wände, die man leicht mit einem Wasserschlauch abspritzen kann. Vier solcher Zellen hat die Hauptwache an der Bebelstraße 25. „An Karneval können die schon mal alle voll sein“, sagt Thüner. Dienstagnacht eher nicht. Thüner und seine Kollegen sind trotzdem wach, das Verbrechen schläft bekanntlich nie.
1989 hat der 43-jährige Halteraner bei der Polizei angefangen. Nach mehreren Stationen kam er vor dreieinhalb Jahren nach Herne. Ihm liege das Revier. „Mir passt die Ruhrgebietsmentalität, weil sie meiner eigenen sehr nahe kommt. Und der Herner ist praktisch der Prototyp des Ruhrgebietlers.“ Thüner sitzt im Aufenthaltsraum, ein großer Mann mit starken Schultern und lauter Stimme, die klare Ansagen macht. Die Herner hätten eine direkte Art, da könne man auch direkt antworten. In seinem Revier braucht der Polizeihauptkommissar ein breites Kreuz. Oft habe es die Polizei mit Familienzwistigkeiten zu tun. Dann schreiten die Beamten ein und versucht zu vermitteln. Oder ein Kind ist mal wieder weggerannt. Thüner und seine 50 Kollegen machen sich dann auf die Suche. „Viele kennen wir namentlich.“ Meist tauchten die Kinder von alleine wieder auf. Eine Stimme plärrt aus dem Funkgerät. Wohnungseinbruch. Thüners Kollegen im Außendienst fahren sofort hin. Einbrüche seien ein zentrales Thema in der Polizeiarbeit, sagt Thüner. „Wir zeigen im Moment sehr viel Präsenz.“ Man hoffe, dass dadurch die Täter abgeschreckt werden. Heute muss Thüner nicht raus, er hat sich eine Stunde Zeit genommen für die Presse, das kommt Thüner entgegen. „Ab ein Uhr kann es schon mal hart werden. Da wird es anstrengend, wach zu bleiben.“
Fernsehen im Aufenthaltsraum
Der Schichtdienst wurde im letzten Jahr umgestellt, jetzt haben die Polizisten drei bis vier Nachtschichten. Früher war das eine ganze Woche. „Das soll unsere Gesundheit schonen. Ich glaube nicht daran“, sagt der 43-Jährige. Sieben Kollegen plus eine Führungsperson arbeiten im Nachtdienst. Wenn sie nicht gerade auf der Straße sind, können sie im Aufenthaltsraum auch mal fernsehen. Schlafen ist nicht. „Man kann aber mal kurz die Augen zu machen.“ Thüner macht die Tür zum Waffenarsenal auf. Hier lagert das schwere Gerät, Pistolen, aber auch automatische, wie die MP5. Die Waffen sind zusammen mit der Munition in schlichten Schränken gelagert, die den Eindruck erwecken, als seien sie so alt wie das Gebäude. Damit die Polizisten nicht aus der Form geraten, müssen sie zweimal im Jahr zum Schießstand.Thüner deutet auf ein DIN-A4- Blatt, das in 25 Metern am Ende des Flurs hängt. „Von zehn Schüssen treffe ich zehnmal.“ Im Dienst habe Thüner noch nie seine Waffe gebraucht. „Ich kenne auch nur einen Kollegen, und den nicht mal persönlich, der einen Schuss abgeben musste.“
Christian Thüner hat in seinem Büro Platz genommen. „Die Arbeit mit den Menschen hat mir immer Spaß gemacht, auch wenn man viele anstrengende Kunden hat“, sagt er über seine Motivation. „Die Gemeinschaft in der Polizei ist mit keiner anderen zu vergleichen, eine Gemeinschaft, die sich entwickelt, die einen zufrieden macht.“ Sein Vater sei Bankkaufmann gewesen, der habe manchmal nur fünf Minuten Kontakt zu seinen Kollegen gehabt. Hier auf der Wache entstünden viele Freundschaften. Auf den Straßen sehe das oft anders aus. Polizisten seien nicht gern gesehen, wenn sie Strafzettel verteilen oder bei Ruhestörungen gerufen werden. Der Polizisten-Ruf sei negativ behaftet, gibt Thüner zu. „Die Menschen beschweren sich sehr gerne, aber dass mal jemand Danke sagt, kommt selten vor.“ Allerdings: Vor einiger Zeit habe mal eine Mutter ihren 14-jährigen Sohn als vermisst gemeldet. Thüner fand ihn und brachte ihn zurück. Am nächsten Tag kam sie auf die Wache und bedankte sich. „Dankbare Bürger machen vieles wett.“