Das Traditionsgeschäft Lederwaren Gewehr schließt nach 116 Jahren endgültig seine Türen. Inhaber Jochen Appel freut sich auf den Ruhestand.

Fünf Handtaschen für Damen, ein paar Schlüsselanhänger, drei Gehstöcke, eine Hand voll Herren-Geldbörsen und ein Restbestand an Tabakware: Die Regale des Geschäftes Lederwaren August Gewehr sind leergefegt, an den Schaufenstern prangen Schilder: „Ausverkauf“ oder „Prozente“.

Ein Wanner Traditionsunternehmen schließt seine Pforten an der Hauptstraße 263. „Wir waren eines der letzten inhabergeführten Geschäfte in der Wanner Innenstadt“, erklärt Inhaber Jochen Appel. 1910 gründete August Gewehr das Geschäft - als kleines Kaufhaus, damals gab es ein breites Produktsortiment: etwa „Rekruten-Artikel nach Vorschrift“, Solinger-Stahlwaren, Schirme und Stöcke, Musikinstrumente oder „Abkochapparate und Rücksäcke für Touristen“. Auch damals gab es bei Gewehr schon Tabakwaren. Die verkauft Jochen Appel bis zum letzten Tag. Das ist eine Besonderheit, nur zwei Läden in ganz Nordrhein-Westfalen hätten Leder und Tabak im Sortiment, erklärt Appel.

Der 75-jährige Geschäftsmann übernahm das Familienunternehmen 1984 und führte es unter demselben Namen weiter. Seitdem hat sich viel verändert. Florierte das Lederwarengeschäft viele Jahre, so habe es in der letzten Zeit sehr unter dem Internethandel gelitten. Nicht nur das: Die Wanner Innenstadt sei nicht mehr das, was sie früher war. Angefangen habe es schleichend mit der Zusammenlegung von Wanne-Eickel und Herne 1975. Sein Sohn, Tobias Appel, stand jahrelang mit hinter dem Verkaufstresen und wollte noch bis vor sechs Jahren das Geschäft übernehmen. Nun sieht der 30-jährige keine Zukunft mehr für besondere Läden dieser Art und wird sich wieder seinem Beruf als Bürokaufmann zuwenden und sich einen Job im Ruhrgebiet suchen.

Jochen Appel ist nachdenklich, aber mit sich im Reinen. „Ich blicke nicht wehmütig zurück, sondern mit Freude“, erklärt er. Der gelernte Großhandelskaufmann hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern und den vielen Stammkunden. Das Verkaufen und Beraten machte ihm Spaß, und die Mitarbeiter blieben ihm treu, so etwa Inge Scholz, die bei Lederwaren Gewehr in die Lehre ging und 52 Jahre lang bis zu ihrem Rentenalter im Geschäft arbeitete.

Nun freut sich Jochen Appel mit seiner Frau Erna, die ihn ebenfalls bis zum letzten Tag im Laden unterstützt, auf den Ruhestand. Den möchte er am liebsten zuhause und in seinem Garten in Herten verbringen. Mit dem Verreisen hält er es genauso wie zu seiner Berufszeit: „14 Tage im Jahr, das reicht.“ Er habe viel gesehen und erlebt, jetzt möchte er sich erst einmal zurücklehnen. Und vor allem eins tun: „Zum ersten Mal in Ruhe den Weihnachtsbaum schmücken.“