Der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt zeigt im Kulturzentrum ein Theaterstück für Schüler, das sich mit dem Thema "Ehrenmord" auseinandersetzt - und hofft, dass es jene erreicht, die es betrifft
5000 Frauen fallen jährlich einem "Ehrenmord" zum Opfer. Hatun Sürücü war eine von ihnen. Auf offener Straße wurde die 23-jährige Deutsch-Türkin vom eigenen Bruder erschossen - nur weil ihre Familie ihren westlichen Lebensstil nicht akzeptieren wollte. Sürücüs Schicksal wurde zum Symbol für die Diskussion um "Ehrenmorde" und deren Bestrafung. Es war auch Inspiration für ein Bühnenstück des Freien Werkstatt-Theaters Köln, das am Montag, 15. Oktober, im großen Saal des Kulturzentrums zur Aufführung kommt. Im Publikum: Schulklassen.
Eingeladen hat der "Runde Tisch gegen häusliche Gewalt", der sich auch mit den speziellen Problemen junger Frauen mit Migrationshintergrund beschäftigt. Auch Sabine Schirmer von der Gleichstellungsstelle gehört zum Runden Tisch. Sie ist sicher, dass das Theaterstück von Autorin und Hauptdarstellerin Sema Meray bei Lehrern und Schülern großes Interesse wecken wird. An den Schulen sei dies "ein drängendes und bedrückendes Thema", besonders vor den Sommerferien, wenn sich manches Mädchen hilfesuchend an Lehrer und Berater wendet mit der Angst, im Urlaub von den Eltern zwangsverheiratet zu werden.
"Namus için - Für die Ehre" erzählt die Geschichte von Jale, einer in Deutschland geborenen Türkin, die zwangsverheiratet wurde. Als sie ihren Mann verlässt und mit ihrer Tochter zurück nach Köln, in ihre Heimatstadt, zieht, kommt es zur Konfrontation mit ihrer Familie. Jale will ein eigenes Leben führen, ihr Vater empfindet das als Schande.
Im Herner Frauenhaus, das auch am Runden Tisch beteiligt ist, sind Probleme wie diese bekannt: "Viele Lehrerinnen rufen bei uns an", sagt Marlis Reinke. "Sie sagen, die Mädchen hätten Angst. Doch wenn sie noch unter 18 sind, können wir nichts machen, dann ist das Jugendamt zuständig." Für die bereits volljährigen Frauen, die sich zu ihnen flüchten, sieht Reinke wenig Chancen, wenn diese keine Ausbildung oder kein eigenes Einkommen haben. Es sei nicht nur schwierig, für diese Frauen längerfristig Unterstützung zu organisieren, sondern auch, ihren Aufenthaltsort auf längere Sicht geheim zu halten.
Seit Jahren schon seien mehr als 50% im Haus Migrantinnen, die Hälfte davon ohne ausreichende Deutschkenntnisse, so Reinke. Und: Die Frauen werden immer jünger. Projekte wie das Theaterstück, in dessen Anschluss es eine Diskussion mit den Darstellern gibt, seien "lebensnotwendig", so Reinke. Sie hoffe, dass diejenigen erreicht werden, die es betrifft. Denn nur so, als Schulausflug unter Aufsicht von Lehrkräften, sei es für manche Mädchen möglich, an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen.
Auch Katja Jähnel von der Beratungsstelle für Migrantinnen kennt die besorgten Anrufe von Lehrern: "Früher kam das einmal im Jahr vor, jetzt zwei bis drei Mal im Monat." Deshalb sei ein Angebot wie das Kölner Theaterstück "genial". Jähnel: "Ich weiß, dass Schulen auf solche Thematiken warten. Die Lehrer spüren, da ist was, kommen aber nicht dran. Mit dem Theaterstück haben sie dann einen Anknüpfungspunkt."
Antonie Brieske von der Beratungsstelle Schattenlicht weiß, dass das Thema Zwangsehe oft mit Scham zu tun hat. Es sei schon ein enormer Schritt, eine Beratungsstelle aufzusuchen, weshalb auch nur etwa zehn Prozent ihrer Klienten Migrantinnen seien.
Regisseurin Sema Meray sagte in einem Interview, es gebe nur eine einzige Lösung: "den Mädchen und auch den Jungen den Rücken zu stärken und ihr Selbstbewusstsein zu fördern. Sie müssen lernen, sich über ihre persönlichen Erfolge oder ihr Tun zu identifizieren und nicht über aufgeblasene hohle ,traditionelle' Regeln und Phrasen."
Schulklassen ab Stufe 9 können sich unter Tel: HER 16 22 08 anmelden.