Ehemalige Karstadt-Dekorateure trauern um das Ende ihres Berufes und eines "Flaggschiffes".Wolfram Ninka, einer von ihnen, sagt: "Sie haben daraus einen alten Seelenverkäufer gemacht"

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© WAZ

Ihren ehemaligen Arbeitsplatz gibt es nicht mehr. Dort, wo sich früher das Herner Karstadt-Kaufhaus befand, ist ein neues Schild angebracht worden: "Hertie", daneben locken Plakate mit Rabatten.

"Befremdlich" findet Wolfram Ninka diese Entwicklung, die aus dem "stolzen Flaggschiff der Kaufhauslandschaft einen alten Seelenverkäufer gemacht hat". Für den ehemaligen Dekorateur war es ein Schock, als er von den Schwierigkeiten des Karstadt-Quelle-Konzerns hörte, für den er selbst jahrelang gearbeitet hat.

An diesem Samstagmorgen stehen 13 ehemalige Schaufensterdekorateure vor dem Gebäude. Wolfram Ninka, seit gut drei Jahren im Ruhestand, hat das Treffen organisiert. Jeder Teilnehmer trägt ein Namensschild, "Schmückerinnen- und Schmückertreff, Karstadt AG Herne" steht außerdem noch darauf.

Die Karstadt AG nennt sich nun "Arcandor" - Wolfram Ninka fällt der neue Name nicht sofort ein, er muss überlegen, einer seiner einstigen Kollegen hilft ihm auf die Sprünge. Arcandor? Auch das findet Ninka "befremdlich". Aber immerhin hätte es die neue Führung geschafft, die "alte Dame" wieder flott zu machen.

Der Beruf des Dekorateurs ist ebenso verschwunden wie der Name Karstadt in Herne: "Dekorateure haben sehr an Bedeutung verloren, die Arbeit war einfach nicht mehr gefragt. Das, was wir machten, war zu teuer", resümiert Ninka. Reiner Glebsattel drückt es noch drastischer aus: "Der Beruf hat keine Zukunft mehr - er ist tot." Der heutige Graphikdesigner fing eine Ausbildung zum Dekorateur bei Karstadt an, aber: "Ich habe frühzeitig gemerkt, dass das nicht mein Beruf ist." Seine früheren Kollegen wollte er trotzdem gerne wiedersehen. Einige begegnen sich hier das erste Mal seit über 40 Jahren, sie haben sich zuletzt als Auszubildende gegenübergestanden.

Wolfram Ninka lässt seinen Blick über die Gruppe schweifen und lächelt: "Für uns war das damals ein schöner Beruf." Ein sehr kreativer vor allem. Handwerkliches Geschick war gefragt, die Tätigkeiten waren vielfältig. Handarbeit, Tapezieren - die Blickfänger, mit denen Kunden angelockt und das Angebot beworben werden sollte, mussten in Eigenarbeit hergestellt werden. "Fast jeder Handwerksberuf war in dem des Dekorateurs vertreten", sagt Reiner Glebsattel. Ungefähr 30 Dekorateure arbeiteten damals bei Karstadt. Der alte Dekokeller, das kreative Zentrum, befand sich unterhalb der Verkaufsfläche.

Heute ist ein Großteil der Fläche einer Supermarkt-Filiale gewichen. Das Zeitalter der Printmedien, des Rundfunks und Fernsehens eröffnete neue Werbemöglichkeiten und machte die Dekorateure entbehrlich, ihre Beschäftigung unwirtschaftlich. Anstatt auf Kreativität zu setzen, bekamen Wolfram Ninka und seine Kollegen irgendwann nur noch Dias mit Vorlagen für die Schaufenster präsentiert. Diese galt es dann detailgetreu umzusetzen. "Kulissenschieberei" nennt Ninka das. Und Reiner Glebsattel fügt hinzu: "Damit war die Kreativität gestorben." Für Wolfram Ninka bedeutete das irgendwann einen beruflichen Wechsel. Ihn zog es nach Hannover, wo er für die Norddeutsche Landesbank die Pressearbeit machte, klassische Printwerbung.

Nun wandert Ninkas Blick zum Eingang des Kaufhauses. Heinz Eickenfonder, vormals selbst Dekorateur, sollte eigentlich längst da sein und die Gruppe durch den Dekokeller führen. "Überbleibsel" nennt Ninka ihn augenzwinkernd. Tatsächlich sind die dreizehn Ehemaligen alle Überbleibsel, denn, so Reiner Glebsattel: "Der Beruf des Dekorateurs wird gar nicht mehr gelehrt." Schaufensterdekorateure, sie sind abgeschafft.