Schon Zwölfjährige kennen und mögen ihn, wissen aber kaum etwas darüber.Dortmunder Studenten haben 700 Herner Schüler nach ihren Trinkgewohnheiten gefragt
THEMENWOCHE ERNÄHRUNG & GESUNDHEIT IN HERNEStudierende der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW in Dortmund haben 700 Herner Schülerinnen und Schüler aus den neunten Klassen aller Schulformen nach ihrem Verhältnis zum Alkohol befragt. Annette Hartwich, eine von ihnen und selbst Hernerin: "Ein wirklich großes Problem gibt es in der Stadt nicht, vielleicht liegt das an der fehlenden Kneipenszene." Die Ergebnisse dürfen nach Ansicht von Dr. Alexander Brandenburg, Leiter der Abteilung Gesundheitsförderung im städtischen Fachbereich Gesundheit, jedoch nicht dazu verleiten, sich beruhigt zurückzulehnen. Aufklärung und Beratung seien unvermindert notwendig. So habe die Studie gezeigt, dass Jugendliche häufig ausgerechnet im Familienkreis zu Alkohol griffen. "Da müssen wir unbedingt etwas tun."
Der Dortmunder Professor Dr. Andreas Gourmelon zeigt sich indes "schon ein wenig alarmiert" dadurch, dass Jugendliche allzu leicht an alkoholische Getränke herankommen. Der Weg in den mehr oder weniger regelmäßigen Konsum beginne mit den sogenannten Alcopops ("Hi, die schmecken aber prima!"). Die bunten Mixgetränke liegen deswegen an der Spitze der Beliebtheitsskala, gefolgt von Spirituosen und Bier - sowohl bei Jungen als auch Mädchen.
Erste Alkoholerfahrungen haben der empirischen Erhebung zufolge die Neuntklässler zu 44 Prozent schon als Zwölf- oder 13-Jährige gemacht. 19 Prozent geben an, einmal pro Woche Alkohol zu trinken, 23 Prozent einmal im Monat und 41 Prozent "noch seltener". Mehr als die Hälfte trinkt am Wochenende, 30 Prozent vorzugsweise abends. Als "Konsumpartner" geben mehr als zwei Drittel Freunde an, 26 Prozent ihre Familie. Lediglich vier von hundert Befragten trinken am liebsten alleine. Fazit: Insgesamt mehr als 75 Prozent der meist 14- und 15-Jährigen haben Erfahrungen mit Alkohol.
"Schmeckt gut!", sagten 26 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler zu ihren Motiven, Alkohol zu trinken. Zwölf Prozent wissen es nach eigenen Angaben nicht, ein Zehntel liebt "Trinkspiele", fast ebenso viele haben Langeweile, acht Prozent wollen sich abreagieren, sieben fühlen sich danach "besser", und fünf Prozent sagen schlicht und ergreifend: "Andere machen es ja auch!" Ein Viertel trinkt am liebsten bei Freunden, ein Fünftel zu Hause, 18 Prozent zieht es in Parkanlagen, 15 Prozent in Discos oder Gaststätten.
26 Prozent der Befragten geben an, ihren Alkohol von Freunden zu erhalten. Ein Fünftel hat ihn aus dem Kiosk, 14 Prozent bekommen ihn von ihren eigenen Eltern, zehn Prozent aus dem Supermarkt, acht an Tankstellen. Insgesamt 72 Prozent der jungen Hernerinnen und Herner haben keine Probleme damit, an Alkohol zu kommen. Erschreckend für Professor Gourmelon wie für Dr. Brandenburg: Knapp 70 Prozent der Eltern wissen Bescheid darüber, dass ihre Kinder Alkohol zu sich nehmen.
Auch "erlebte Auswirkungen" haben die Dortmunder Studenten aus den Neuntklässlern herausgekitzelt. Demnach haben 42 Prozent schon mindestens einmal Koordinationsschwierigkeiten gehabt, 30 Prozent sich schon mindestes einmal erbrochen, und 31 Prozent hatten - ebenfalls mindestens - schon mal einen "Filmriss". 25 Schüler gestanden zudem, mindestens einmal wegen einer Alkoholvergiftung behandelt worden zu sein. Dass Jugendliche ungenügend über das Thema Alkohol informiert sind, haben die Dortmunder Studenten nicht zuletzt an folgenden Ergebnissen ihrer Erhebung erkannt: 34 Prozent unterschätzen beispielsweise den Alkoholgehalt von einem Liter Bier erheblich, 32 Prozent die schädigende Wirkung des Alkohols.
Wie soll es nach der Studie praktisch weitergehen? Professor Gourmelon: "Wir haben uns mit eigenen Vorschlägen bewusst zurückgehalten, die Schlussfolgerungen daraus müssen andere Institutionen ziehen."
Übrigens: Sowohl der Professor als auch Dr. Alexander Brandenburg freuen sich, dass die Arbeit der Dortmunder Studenten offensichtlich ein gängiges Vorurteil korrigiert hat. Ausgesprochen positiv haben nämlich die Hauptschulen abgeschnitten. "Da ist eine ganz besondere Form von Interesse vorhanden", weiß der Leiter der Herner Gesundheitsförderung. Annette Hartwich bestätigt das: "Gerade die Lehrer dort haben sehr engagiert mitgemacht."