Das Schuhhaus Schlatholt hat im Zuge umfangreicher Umbauarbeiten auch den unteren Teil des Bonifatius-Turmes wieder sichtbar gemacht - sehr zur Freude von Pfarrer Christian Gröne

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© Stefan Kuhn

In der Herner Innenstadt ist ein kleines Stück Architekturgeschichte nach langem Schlummer zu neuem Leben erwacht: Das renommierte Schuhhaus Schlatholt hat im Zuge umfangreicher Umgestaltungsarbeiten an seinen Geschäftsräumen den imposanten Turm der St. Bonifatius-Kirche auch in dessen unterem Teil wieder freigelegt, hat ihn "abgeschält" und das Mauerwerk samt dem noch gut erhaltenen Eingangsportal aufs Neue sichtbar gemacht. Das Ganze steht nun sozusagen im Schaufenster.

St. Bonifatius darf sich deutschlandweit als einzige katholische Kirchengemeinde bezeichnen, in deren Turm und darum herum sich ein Schuhgeschäft befindet. Umgekehrt ist Schlatholt das einzige Unternehmen seiner Branche, das einen eigenen "Campanile" hat.

Der Duisburger Architekt Arnd Blömer, unter dessen Federführung die Neukonzipierung stattgefunden hat, ist sich mit Schlatholt-Geschäftsführer Thomas Schmelzer, Verkaufsleiter Gerhard Fahnenstich und Hausbesitzer Jürgen Rolofs einig: "Lange bevor wir uns an die Arbeit machten, war uns klar, dass wir unbedingt den Kirchturm freilegen müssen, um ihn als wichtigen Bestandteil in das Ganze zu integrieren!" Übrigens, auch das ist so etwas wie ein Unikum: Der Laden am Boulevard Bahnhofstraße ist so groß, dass er es gleich mit zwei Hausbesitzern zu tun hat - mit der Kirchengemeinde St. Bonifatius und, eben, jenem Jürgen Rolofs.

Auch Christian Gröne, seit 1999 Pfarrer an St. Bonifatius, ist voll des Lobes für die Idee des Architekten und der Schlatholt-Geschäftsführung. "Ich habe mit großem Interesse verfolgt, wie das einstige Portal freigelegt worden ist", gesteht der Geistliche. Gröne war noch nicht in Herne, als Mitte der Siebzigerjahre die alte Bonifatius-Kirche abgerissen und die neue geweiht wurde. Er spricht von einem überaus gelungenen Werk und findet auch das Kopfsteinpflaster vor der alten Kirchentür schön, auf dem derweil modisches Schuhwerk auf die passenden Füße lauert. Natürlich, so der Pfarrer weiter, hat die Neuerung namentlich bei älteren Menschen auch wehmütig-nostalgische Gefühle zum Ausbruch kommen lassen: "Sie bedauern es immer noch, dass vor dreieinhalb Jahrzehnten ihre geliebte Kirche abgerissen wurde."

Im Parterre des stehengebliebenen Turms, in dem einstigen Gewölbe, wo ganz, ganz früher kräftige Arme an Glockenseilen gezerrt haben, befindet sich nun ein kleiner Raum zum Verweilen, eine "Lounge", wie ihn Verkaufsleiter Fahnenstich nennt. Sie lädt zum Verschnaufen während des Einkaufs ein, bei einer Tasse Kaffee oder Cappuccino. Und wer will, kann sogar ein bisschen Fernsehen gucken.

Den alten Herrn Bonifatius stört das unterdessen alles nicht sonderlich. Weiter oben lässt er vom Turm seinen Blick auch weiterhin ungerührt, vielleicht auch ein wenig besorgt, über die Fußgängerzone bis zum Herner Rathaus schweifen.