Herne. . Die CDU fordert aufgrund der Entwicklung in der Türkei, die Partnerschaft mit Besiktas vorübergehend auszusetzen. SPD, Grüne und Linke lehnen das ab.

  • CDU will Partnerschaft mit dem Istanbuler Stadtbezirk Besiktas ruhen lassen
  • SPD, Grüne und Linke weisen Forderung der Union zurück
  • Besiktas’ Bürgermeister Hazinedar hat Stadt Herne für Februar eingeladen

Die CDU-Ratsfraktion fordert die Stadt aufgrund der Entwicklung in der Türkei dazu auf, die im Juli besiegelte Partnerschaft mit dem türkischen Stadtbezirk Besiktas „vorübergehend auszusetzen“. Auch Reisen von Herner Delegationen in die Partnerstadt seien derzeit undenkbar. Die SPD geht zur Stellungnahme ihres Ratspartners auf Distanz. Auch Grüne und Linke weisen den Vorstoß zurück.

Vor allem mit der Zensur der Presse, Verhaftungen von Journalisten und die geplante Wiedereinführung der Todesstrafe durch die türkische Regierung begründet die CDU ihre Initiative. „Die eklatanten Verstöße gegen demokratische Grundprinzipien haben auch kausale Auswirkungen auf die Partnerstadt Besiktas“, erklärt Fraktions-Chef Markus Schlüter. Aus diesen schwerwiegenden Gründen sollte die Partnerschaft bis zur Stabilisierung der parlamentarischen Verhältnisse ausgesetzt werden.

Linke unterstützt Besiktas-Reise

Die sich in der Türkei abzeichnende Einführung der Todesstrafe sei „empörend und nicht hinnehmbar“, so Frank Heu, Chef der CDU-Arbeitnehmer (CDA). „Unter diesen Voraussetzungen sind Reisen von Delegationen unserer Stadt in die Partnerstadt derzeit undenkbar“, erklärt Heu. Hintergrund: Der Stadt Herne liegt eine Einladung aus Besiktas für Februar vor.

Er sei „erstaunt“ über die Pressemitteilung der CDU-Fraktion und den Zeitpunkt des Vorstoßes, sagt SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski zur WAZ. Die Entwicklung in der Türkei sei ja nicht neu und natürlich grundsätzlich zu verurteilen. Es wäre aber das völlig falsche Signal, Gegnern des türkischen Regierungskurses wie der in Besiktas regierenden (sozialdemokratischen) CHP nun die Unterstützung zu untersagen. Falls die Türkei die Todesstrafe wieder einführe, müsse man aber eine neue Bewertung vornehmen und insbesondere die Haltung der CHP und der Regierung in Besiktas abklopfen, sagt Sobieski.

Özcelik hält CDU-Vorstoß für „absurd“

Ähnlich argumentiert Grünen-Fraktions-Chef Thomas Reinke. Auch er kritisiert die CDU. Mit einem Aussetzen der Partnerschaft würde man vor allem Erdogans Gegner treffen. Die Linke-Fraktion hat derweil für die Ratssitzung am 29. November beantragt, die Einladung von Besiktas’ Bürgermeister Hazinedar - gegen ihn laufen in der Türkei noch immer staatliche Ermittlungen - anzunehmen. Man müsse zur Partnerschaft stehen, heißt es.. Dadurch würde Herne „ein Zeichen der Solidarität und der Völkerverständigung“ setzen.

Als „total absurd“ bezeichnet SPD-Ratsfrau Nurten Özcelik die Forderung der CDU. Es wäre fatal für oppositionelle Kräfte in Istanbul, wenn Herne sich jetzt zurückziehen würde, erklärt die Vorsitzende des Herner Partnerschaftsvereins Besiktas auf Anfrage.

Von CDA-Chef Frank Heu sei sie persönlich enttäuscht. Dieser habe mehrfach seine Mitarbeit im Partnerschaftsverein angeboten.

Sie werde schon in Kürze nach Istanbul reisen, um mit Besiktas einen Workshop zum Thema „Kommunaler Ordnungsdienst“ durchzuführen, so Özcelik.

Die Pressemitteilung der CDU-Ratsfraktion 

Die Stellungnahme der CDU im Wortlaut: „Das türkische Parlament beabsichtigt die gesetzliche Grundlage für die Wiedereinführung der Todesstrafe zu schaffen. Eine Ratifizierung wird durch den Präsidenten Recep Tayip Erdogan anschließend erfolgen. Dies ist für die CDU-Fraktion empörend und nicht hinnehmbar. „Unter diesen Voraussetzungen sind Reisen von Delegationen unserer Stadt in die Partnerstadt derzeit undenkbar“, erklärt der CDA-Vorsitzende und Sachkundige Bürger Frank Heu. „Wir empfehlen daher an dieser Stelle ganz klar und deutlich Fahrten nach Besiktas derzeit nicht durchzuführen und abzuwarten, wie sich die Situation vor Ort entwickelt.“

Der Fraktionsvorsitzende Markus Schlüter weist darüber hinaus auf die Lage der türkischen Presse hin. Diese wird weiterhin stark zensiert. Vor wenigen Tagen wurden die Redakteure nebst Chefredakteur der Tageszeitung Cumhurriyet verhaftet. „Diese eklatanten Verstöße gegen demokratische Grundprinzipien haben auch kausale Auswirkungen auf die Partnerstadt Besiktas“, gibt Markus Schlüter zu bedenken. „Aus diesen schwerwiegenden Gründen soll die Partnerschaft mit Besiktas vorrübergehend ausgesetzt werden, bis sich die parlamentarischen Verhältnisse wieder demokratisch stabilisiert haben.“

Die CDU-Fraktion warnt abschließend auch vor einer Vermischung der Delegationen, wie kürzlich in der Presse angekündigt. „Eine gemeinsame Reise von Unternehmen, Vertretern der Ratsfraktionen sowie des Freundeskreises Besiktas – wie von Oberbürgermeister Frank Dudda angekündigt – ist nicht in unserem Sinne“, so Markus Schlüter.

Der Ratsantrag der Linkspartei 

Beschlussvorschlag: Der Rat der Stadt Herne bittet Herrn Oberbürgermeister Dr. Dudda, die von Seiten des Bürgermeisters Herrn Hazinedar ausgesprochene Einladung anzunehmen und zu einer Delegation die politischen MandatsträgerInnen einzuladen. Die Kosten sind ggf. durch die Fraktionszuwendungen der Parteien zu finanzieren.

Begründung: Die Stadt Herne ist in diesem Jahr eine Städtepartnerschaft mit dem Istanbuler Stadtteil Besiktas eingegangen. Schon damals war die innenpolitische Situation in der Türkei schwierig, was bei nicht wenigen der Stadtverordneten zu erheblichen Zweifeln an dem Eingehen einer Städtepartnerschaft führte. Aber: die Entscheidung ist gefallen. Zwischenzeitlich hat sich die Situation in der Türkei zugespitzt, etliche Menschen in Schulen, Universitäten, Behörden und dem Militär wurden aus ihren Ämtern entfernt und zum Teil verhaftet. Journalisten werden inhaftiert und die Meinungsfreiheit immer mehr eingeschränkt. Auch Bürgermeister Hazinedar sieht sich mit einem Verfahren konfrontiert, bei dem die Anhörung, also die Möglichkeit überhaupt zu erfahren, was ihm konkret vorgeworfen wird und sich entsprechend einlassen zu können, verschleppt wird. Auslandsreisen sind ihm derzeit verboten. In dieser Situation sollten wir durch das Wahrnehmen der Einladung aus Besiktas ein Zeichen der internationalen Solidarität und der Völkerverständigung setzen. Bei allen politischen Unterschiedlichkeiten auf beiden Seiten der Städtepartnerschaft, sollten wir im Sinne der Verteidigung von Meinungsfreiheit und Demokratie, eine politische legitimierte Delegation nach Besiktas senden, denen sowohl Herner Bundestagsabgeordnete.