Herne. . Beim Festival „Tage Alter Musik“ ist Goethes Werther als stimmiges Hörerlebnis inszeniert worden. Die deutsche Erstaufführung begeisterte im Kuz.

  • Festival „Tage Alter Musik“ bringt Goethes Werther meisterhaft auf die Bühne
  • Main-Barockorchester, Beckmann-Brüder und Grete Schareck glänzten im Kuz
  • Herner Produktion ist weiterhin im Radio auf WDR 3 abrufbar

Im Kulturzentrum sitzt der Schauspieler Nils Beckmann am Schreibtisch. Es ist das einzige Requisit auf der Bühne. Konsequenterweise. Denn schreibend öffnete der Protagonist in Goethes Briefroman „Die Leiden des junge Werthers“ sein Innerstes. Mit Gaetano Pugnanis Werther-Musik beleuchten die Tage Alter Musik am Freitagabend die europaweit beachtliche Werther-Rezeption („Werther Fieber“ ) mit seiner revolutionären Aufwertung der Emotionen.

Der italienische Geigenvirtuose Gaetano Pugnani komponierte die Musik keine 20 Jahre nach der ersten Ausgabe des Briefromans 1774. Die Darstellung als Melodram ist stimmig angesichts der starken Engführung von Musik und Literatur des Sturm und Drang. Mit der deutschen Erstaufführung in Herne beweist das Festival Originalität und zeigt sich kulturell relevant.

Schneller Wechsel der Emotionen und Melodien

Im Kuz nimmt das Main-Barockorchester Frankfurt den Großteil der Bühne ein. Unter der Leitung von Michael Hofstetter interpretiert das historisch informierte Ensemble die Musik mit einem dem Barock verhafteten, feinen Orchesterklang. Inhaltlich jedoch „spricht“ die Musik die Sprache der Empfindsamkeit. Der schneller Wechsel der Emotionen und Melodien von neuartiger Schlichtheit sind stilistisch eindeutig dem Barock „entwachsen“. War „Werther“ vielleicht sogar der Auslöser für diesen stilistischen Wechsel?

Unter der Leitung von Hörspiel-Regisseur Uwe Schareck greifen Musik und Text auf komplexe Weise ineinander. Zwar spricht der Herner Schauspieler Nils Beckmann sowie in kleineren Rollen sein Bruder Till Beckmann und Greta Schareck mitunter in die ausdeutende Musik hinein, verdoppeln aber die inhaltliche Ebene nicht. Wird die Musik emotional, zeigt sich der Text sachlich voranschreitend.

Musik deutet typische Werther-Motive aus

Und so folgt diese Herner Produktion konsequent der Logik des Hörspiels. Die Musik deutet typische Werther-Motive wie die Tänze mit Lotte oder das Unwetter aus und macht sie dem Hörer zugänglich. Die Musik veräußert Werthers innere Gefühlswelt auf packende, eindringliche Weise mit sehr viel Gespür für das Timing. Mitunter scheint Werthers Sprechrolle sogar die Musik auszudeuten - nicht umgekehrt. Diese detailgenaue Erarbeitung der Schnittstellen von Musik-Literatur des Regisseurs ist ganz große Kunst. Nils Beckmann gibt sich galant und vermeidet die dramatische Übertreibung. Ein großes Erlebnis.

Auf WDR 3-Homepage noch für einige Zeit abrufbar

Die Herner Werther-Produktion wird live im Radio auf WDR 3 übertragen. Sie ist im „Konzertplayer“ auf der WDR 3-Homepage noch für einige Zeit abrufbar.