Herne. . Frank Hörner und Gabriele Kloke haben aus dem Theater Kohlenpott 2006 ein erfolgreiches Theater für Kinder und Jugendliche gemacht. Die WAZ traf sie zum Gespräch.

  • Seit 2006 konzentriert sich das Theater auf Stücke für Jugendliche
  • Die Schauspielergeschwister Beckmann und der Musiker Sebstian Maier gehören zum festen Stamm
  • Das Theater braucht dringend eine Theaterpädagogin und eine Bürokraft

Das Theater Kohlenpott hat sich in zehn Jahren in die erste Liga der Kinder- und Jugendtheater gespielt.

Einladungen zu Festivals und Preise bestätigen Frank Hörner (50) und Gabriele Kloke (51), die als Regisseur und Dramaturgin damals das Theater von Willi Thomczyk übernommen haben. WAZ-Redakteurin Ute Eickenbusch sprach mit ihnen über ihre Arbeit.

Das Theater Kohlenpott von heute hat mit dem von damals nur noch den Namen gemein. Mit welchem Konzept sind Sie angetreten?

In der ersten Liga der Kinder- und Jugendtheater: Frank Hörner (50) ist Regisseur des Theater Kohlenpott.
In der ersten Liga der Kinder- und Jugendtheater: Frank Hörner (50) ist Regisseur des Theater Kohlenpott. © Ralph Bodemer

Frank Hörner: Als wir 2004 das Theater übernommen haben, waren wir noch kein reines Kinder- und Jugendtheater. Wir haben erst mit der Zeit festgestellt: Das macht in Herne Sinn. Kurz zuvor hatte ich in Stuttgart, nach Jahren Regie für so genannte „Erwachsene“, das erste Mal Kinder- und Jugendtheater inszeniert und war total begeistert, weil ich dem jungen Publikum was zu erzählen hatte und deren Themen mich interessiert haben.

Welches Stück hat die neue Ausrichtung eingeleitet?

Hörner: „Klamms Krieg“. Als wir die Leitung übernommen haben, hatte das Theater die letzten Jahre kaum noch Zuschauer. Wir mussten erst mal Publikum akquirieren.

Kloke: Und darstellen, dass das Theater Kohlenpott ein ganz anderes wird.

Hörner: So sind wir erst mal in die Schulen gegangen und haben dort Klassenzimmerproduktionen gemacht wie „Klamms Krieg“ und „Escape“.

Woher kannten Sie die Schauspieler Till und Nils Beckmann?

Kloke: Till Beckmann haben wir 2006 bei uns im Jugendklub entdeckt. Ich hab gesagt: Frank, den musst du dir angucken, der ist super. 2007 hat er dann „Escape“ gespielt.

Hörner: Nils Beckmann kam ein Jahr später.

Wie wichtig sind die Beckmanns für das Theater geworden?

Kloke: Wir haben immer gesagt, das ist das kleinste Ensemble der Welt.

Hörner: Wir versuchen mit unseren Schauspielern regelmäßig zu arbeiten. Das hat gerade bei den Stückentwicklungen dazu geführt, dass man eine gemeinsame Sprache entwickelt hat. Das machen wir heute noch. Neben den Beckmann-Brüdern gehört noch Manuel Moser und vor allem unser Musiker Sebastian Maier fest zum Team.

Sie sind um die 50 - wie bleibt man an den Themen, die die Jugend bewegen?

Hörner: Wir haben immer in den Schulen mit Jugendlichen gearbeitet. „Kanalhelden“, auch „Jerry“ und „Leider Deutsch“ sind da entstanden. Daneben gibt es Themen, die interessant bleiben, egal in welchem Jahrhundert man lebt: Wer bin ich? Was ist Freundschaft? Was ist Liebe? Und dann kommen neue Themen dazu wie „Digitalisierung“. „Zwei Mittvierziger überlegen, ob sie ihre Ehe retten können“ ist nichts, was junge Menschen interessiert und mich auch nicht. Meistens brennen die Themen im Kinder- und Jugendtheater mehr.

Gaby Kloke ist Dramaturgin im Theater Kohlenpott. Durch Projekte in und mit Schulen seien intensive Kontakte entstanden, sagt die 51-Jährige.
Gaby Kloke ist Dramaturgin im Theater Kohlenpott. Durch Projekte in und mit Schulen seien intensive Kontakte entstanden, sagt die 51-Jährige. © Ralph Bodemer

Kloke: Durch Projekte in und mit Schulen sind intensive Kontakte entstanden, die fortbestehen. Was mich vor allem daran interessiert: Man sieht, wie sich Gesellschaft entwickelt.

Hörner: Man kann Entwarnung geben: Die nächste Generation ist super!

Wenn das Theater spannender ist als der Computer – kommen die Jugendlichen dann?

Hörner: Am Anfang haben wir zu 90 Prozent vor Schulklassen am Morgen gespielt, aber inzwischen haben wir auch Abends ein sehr junges Publikum.

Kloke: Gerade durch Projekte wie Pottfiction gibt eine gute Vernetzung. Da macht man sich auch aus Recklinghausen und Bochum auf den Weg.

Humor als Waffe gegen den rechten Wahnsinn 

Was macht Ihr Theater erfolgreich?

Hörner: Wir nehmen unser junges Publikum ernst und haben nicht das Gefühl klüger zu sein. Außerdem, glaube ich, schätzen unsere Zuschauer den Humor in unserer Arbeit.

Kloke: Das Zweite: Aus der Arbeit mit den Jugendlichen ergibt sich ein Impuls für die Arbeit an den Stücken. Bei den Stückentwicklungen merken sie, dass sie ein Teil der Geschichte dieses Theaters sind.

Wie kann man relevante Themen wie Mobbing oder Rechtsradikalismus aufgreifen und trotzdem unterhalten?

Hörner: Wenn ich etwas entlarven will, wie zum Beipiel: den rechten Wahnsinn, dann ist Humor die bessere Waffe als Zeigefingertheater.

Kloke: Wir reißen diese Themen auch an, aber es kommt darauf an, welche Form man dafür findet und dass man das nicht 1:1 erzählt.
Hörner: Ich hab ein Problem mit Inszenierungen, die eine eindeutige pädagogische Ausrichtung haben. Wir versuchen das zu vermeiden. Lösungen müssen die Zuschauer selber finden. Jeder hat einen eigenen Blick. Das darf man denen nicht nehmen. Dann nimmt man den Zauber von Theater weg. Theaterpädagogisch arbeiten wir bei den Vor- und Nachbereitungen, in den unterschiedlichsten Projekten und den Stückentwicklungen.

Hörner: Jede meiner Inszenierungen ist eigentlich auch ein Aufruf: „Nehmt euch nicht so verdammt ernst!“ Das ist für mich die Tragik dieser Zeit, dass wir umgeben sind von Menschen, die sich unfassbar ernst nehmen.

Müssen Sie bestimmte Besucherzahlen vorweisen?

Kloke: Wir haben eine Vereinbarung, dass wir zwei Inszenierungen pro Jahr machen, meistens eine ab 14 und eine ab zehn. In diesem Jahr machen wir auch wieder ein Kindertheaterstück. Wir haben um die 45 Aufführungen inklusive Jugendclub, mit den Gastspielen sind wir bei circa 5000 Zuschauern im Jahr. Die Zahlen sind in den letzten Jahren immer gestiegen. Wenn die einbrechen würden, würde der Kulturausschuss auch schon mal intensiv nachfragen. Wir könnten auch mehr spielen in den Flottmann-Hallen, aber dann müssen wir mit unseren Subventionen nachhelfen. Jugendtheater-Aufführungen sind nicht durch die Eintrittsgelder finanzierbar.

Hörner: Dann würde eine Karte 30 oder 50 Euro kosten. Je erfolgreicher wir sind, um so weniger Geld haben wir. Bei maximal 100 Kindern sind das 400 Euro Einnahmen, aber eine große Aufführung kostet 1000 Euro.

Was erwarten Sie von Politik und Verwaltung?

Hörner: Das Kulturbüro unterstützt uns extrem, aber es gibt bisher keinen erkennbaren politischen Willen, dass man in Herne ein professionelles Kinder- und Jugendtheater wie in allen Nachbarstädten, auch in Herne will. Das würde nämlich bedeuten, dass man uns die Möglichkeit gibt, Stellen zu schaffen. Wir brauchen unbedingt eine Theaterpädagogin und eine Bürokraft.

Sie sind also mit dem „O“, das das Theater kürzlich in der Overwegschule bezogen hat, noch nicht am Ziel aller Träume ...

Hörner: Das ist eine große qualitative Steigerung. Wir sind in einem Haus mit der Agentur „Goldener Raum“ und anderen, das ist ganz toll. Aber was uns fehlt, ist Manpower. Diese Stellen müssen geschaffen werden.

Kloke: Durch das „O“ entspannt sich alles, weil man nicht mehr an drei Orten ist. Dadurch dass wir einen Raum mehr haben, konnten wir auch das Regielabor einführen. Wenn junge Menschen kommen, versuchen wir den Raum dafür zu geben. Wenn am Ende etwas rauskommt, was auf die Bühne muss, dann kommt das auf die Bühne. Es ist schön zu sehen, wie sich junge Menschen entwickeln.