Herne. . Abgeordnete aus Herne werden verstärkt per E-Mail oder über die sozialen Netzwerke beleidigt und beschimpft. Vieles geht unter die Gürtellinie.

  • Auch Herner Politiker werden verstärkt per E-Mail oder über die sozialen Netzwerke beleidigt
  • Viele Angriffe kommen aus dem rechten und rechtspopulistischen Lager
  • Demokraten, appelliert Michelle Müntefering (SPD), müssten dem entschieden entgegentreten

Auch Herner Politiker sind immer stärker Ziel von Anfeindungen über soziale Netzwerke oder per E-Mail. Das ergab eine Umfrage der WAZ. „Die Anonymität des Internets und der sozialen Dienste hat die Hemmschwelle stark gesenkt, und Politiker sind eben ein einfaches Ziel“, sagt die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer.

Der Fall Thomas Purwin hat zuletzt bundesweit für Aufsehen gesorgt. Nach Morddrohungen hatte der SPD-Vorsitzende der Stadt Bocholt einen Parteitag abgesagt. Kein Einzelfall: Bundesweit haben Angriffe gegen Lokalpolitiker zugenommen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht gar von einer Welle des Hasses. Politiker aus Herne bleiben da nicht außen vor. „In den vergangenen Monaten ist festzustellen, dass die Diskussion im Netz rauer geworden ist“, sagt der Herner SPD-Parteivorsitzende Alexander Vogt (37), der bei Facebook und Twitter aktiv ist. Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering (36) beklagt: Hasskampagnen, Morddrohungen und Beleidigungen hätten „deutlich zugenommen“ und gingen „über jedes Maß hinaus“.

Thomas Nückel (FDP) erhält fünf bis zehn Hassmails im Monat

Thomas Nückel, FDP-Landtagsabgeordneter, erhält nach eigenen Angaben monatlich zwischen fünf und zehn Hass-Kommentare per Mail – oft von rechts. Ein typisches Beispiel sei: „Sie Volksverräter richten Deutschland zugrunde.“ Und: „Machen Sie sich darauf gefasst, dass wahre Deutsche Sie dafür zur Rechenschaft ziehen.“ Darauf reagiere er nicht, sagt Nückel; der 53-Jährige ist ebenfalls bei Facebook und Twitter aktiv.

Renate Sommer sagt, auch sie erhalte seit einigen Monaten fremdenfeindliche E-Mails, die „ganz klar aus dem rechten und rechtspopulistischen Lager“ seien. Darauf zu reagieren, habe keinen Sinn, „denn diese Leute sind schon völlig verblendet“, so die 58-jährige CDU-Europaabgeordnete. Hinzu kämen die „mittlerweile üblichen Politiker-Beschimpfungen“ über Facebook und per E-Mail. „Da wird man persönlich auf das Übelste angepöbelt, meist unter der Gürtellinie“, berichtet sie. Und: „Das ist ehrverletzend und geht hin bis zu bösartigen Verleumdungen.“ Dagegen wehre sie sich, sagt sie zur WAZ.

Alexander Vogt (SPD): Das ist ein Angriff auf uns alle

Hass im Netz, sagt Vogt, auch medienpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, richte sich nicht nur gegen einzelne Personen. Sondern: „immer gegen uns alle, die in Freiheit in einer Demokratie leben wollen.“ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering sagt: „Den Parolen, der Verrohrung der Gesellschaft, müssen alle Demokraten entschieden entgegentreten.“ Und: „Es muss Grenzen geben, im Internet wie im echten Leben.“

>> KRITIK AN PURWIN:

Mit Rücksicht auf seine Familie hat Thomas Purwin, SPD-Vorsitzender in Bocholt, nach Morddrohungen einen Parteitag abgesetzt; er wird seit Jahren per Mail und über Facebook bedroht. So erschreckend die Drohungen für Purwin auch seien („Der reinste Horror“): Der FDP-Landtagsabgeordnete Thomas Nückel hält die Absage des Bocholter Parteitags für falsch. Öffentlich über Amtsverzicht nachzudenken, sei töricht, die Reihenfolge seiner Reaktionen unbedacht gewesen. „Das kann bei einigen Beobachtern Zweifel wecken, das nutzt wiederum den Rechtsextremen.“

Purwins Reaktion, sagt die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer, könne sie „in gewisser Weise nachvollziehen“. Ein Rückzug aus der Politik oder auch nur das Nachgeben bei politischen Themen führe aber dazu, „dass der feige anonyme Kriminelle sein Ziel erreicht hat“.