Herne. . Thomas Brechtken arbeitet seit 19 Jahren an der Schule und leitete sie zuletztstellvertretend. Seit Schuljahresbeginn ist der 49-Jährige Chef.
Thomas Brechtken (49) schenkt in seinem Büro im Mulvany Berufskolleg frischen Kaffee der Marke „Café del Mundo“ ein. „Das ist Fairtrade, dazu umweltfreundlich hergestellt“, sagt der neue Schulleiter. Er reise mit seiner Ehefrau viel in ferne Länder, wo er sehe, wie zahlreiche Lebensmittel für den Export nach Europa angebaut werden. „Wer Land und Leute kennt, der steigt auf Fairtrade um“, meint Brechtken. Wir sprechen über Gegenwart und Zukunft des Berufskollegs.
Herr Brechtken, Sie sind seit Beginn des Schuljahres Direktor des Mulvany Berufskollegs und haben im Vergleich zu anderen Kollegen eine ungewöhnliche Karriere gemacht. Sie sind an dieser Schule groß geworden.
Thomas Brechtken: Ich bin hier 1997 nach meinem Referendariat als ganz normaler Studienrat angefangen. Ich kenne die Schule und das Kollegium also ganz gut und habe die Entwicklung der letzten Jahre aktiv mitgestalten können. Ich war aber auch immer wieder außerhalb der Schule tätig. So habe ich für die Bezirksregierung Arnsberg als Moderator gearbeitet, saß in Lehrplanerstellungsausschüssen und habe Kolleginnen und Kollegen in Qualifizierungskursen geschult. Ich selbst habe auch an vielen Fortbildungen teilgenommen. Impulse und Austausch sind für eine Schule immer wichtig.
Das Bild der Berufskollegs in der Öffentlichkeit ist ein leicht verzerrtes. Man hält sie für Schulen, an denen Leute lernen, die keine Lehrstelle bekommen haben oder die das Abitur nicht an einem Gymnasium schaffen.
Das sind sehr negative Formulierungen. Positiv kann man formulieren, wir helfen beim Eintritt in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, und wir helfen auch beim Erreichen des höchsten deutschen Schulabschlusses. Wir haben zwei Möglichkeiten: einmal die gymnasiale Oberstufe dreijährig, das ist ja auch eine Alternative zu G8. Und dann haben sie die Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen in einem Jahr das Abitur zu machen. Somit helfen wir auch beim Eintritt in das Hochschulstudium. Ich glaube nicht, dass wir ein negatives Image haben, wir bieten vom Hauptschulabschluss bis zum Hochschulstudium alles an. Darauf sind wir stolz. Das Abitur ist nur ein Abschluss im gesamten Kanon. Und darüber hinaus bieten wir ja auch die Beschulung von Auszubildenden in kaufmännischen Ausbildungsberufen an.
Wie sehen Sie Ihre Schule für die Zukunft aufgestellt. Ein großes gesellschaftspolitisches Thema ist derzeit ja die Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte. Welche Ansätze verfolgen Sie hier?
Unser herausforderndes Thema lautet Vielfalt, dazu gehört natürlich auch die Integration. Wir haben schon immer einen großen Anteil von Schülern mit Zuwanderungsgeschichten gehabt. Wir verfolgen das Konzept, dass alle eine gemeinsame Sprachbasis haben. Wir wollen durchgängig in allen Bildungsgängen sprachsensiblen Unterricht in Deutsch einführen. Das heißt, dass bewusster mit der Sprache Deutsch, auch außerhalb des Deutschunterrichtes, also im Fachunterricht, zum Beispiel Biologie, Rechnungswesen umgegangen wird. Ansonsten wird das Thema hier gar nicht so hoch gehängt. Integration ist an unserer Schule schon seit Jahren selbstverständlich und gehört zum Alltag. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Wertekanon und verfolgen ansonsten die Ziele, die wir laut Bildungs- und Erziehungs-Auftrag haben.
Was ist mit Schülern, die gerade erst in Herne angekommen sind, mit Flüchtlingen beispielsweise.
Für diese haben wir im vergangenen Schuljahr internationale Klassen eingerichtet. Wir sind da bei Null gestartet. Jeder Schüler ist ein Einzelfall, die Kollegen brauchen da viel Geduld. Auf der anderen Seite sind diese Schüler aber auch sehr lernhungrig. In diesem Bereich arbeiten wir sehr eng mit dem Emschertal-Berufskolleg zusammen. Wenn die Schüler hier ankommen, haben sie teilweise keine gemeinsame Sprachbasis. Da ist es zunächst das wichtigste, dass sie Deutsch lernen. Ein integrativer Baustein ist aber auch die Vermittlung von Werten und Kultur. Dann versuchen wir, diese Schüler in das Gesamtsystem Schule hineinzubringen. Da gibt es schon die ersten Erfolge zu verzeichnen.
Gibt es bei Ihnen, abgesehen von Ihrer persönlichen Schulzeit bis zum Abi, Veränderungen in der Schule, die sich im Laufe der Jahre eingestellt haben?
Wir schauen ja eher nach vorne als nach hinten. Aber die Digitalisierung ist sicherlich ein Thema. Die Schülerstruktur ist heterogener geworden, wenn ich mal an meine eigene Schulzeit denke. Vielleicht hat man damals aber auch auf Heterogenität nicht so ein großes Augenmerk gerichtet. Individualität, das ist sicherlich ein Begriff, der hier aufgekommen ist. Was bei einem großen Teil der Schülerschaft trainiert werden muss, sind die Konzentrationsfähigkeit, die Bereitschaft sich länger mal mit einer Aufgabe zu beschäftigen und mehr Durchhaltevermögen.
Viele Schulen klagen darüber, dass sie mit der Inklusion von Menschen mit Behinderungen überfordert sind, weil sie beispielsweise zu wenig ausgebildetes Personal bekommen. Wie sieht das am Mulvany-Berufskolleg aus?
Genau wie bei der Integration ist das kein Thema, was wir aufbauschen. Wir haben an der Schule ein erfahrenes Team, das sich um Inklusion kümmert, und das klappt bislang gut.
Wir haben eingangs festgestellt, dass Sie ja quasi an dieser Schule groß geworden sind, vorher waren Sie hier stellvertretender Schulleiter. Wie lange möchten Sie bleiben?
Bis ich in den Ruhestand gehe. Wir haben ein super Kollegium hier, und in der Stadt und von der Schulverwaltung her herrschen hier hervorragende Bedingungen für uns.