Herne. . Eine Bertelsmann-Studie offenbart, dass Zuwanderer sich gerne selbstständig machen und als Arbeitgeber Jobs schaffen. Die WAZ hat zwei besucht.
Diese Studie ließ vor wenigen Tagen aufhorchen: Laut einer Untersuchung der Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung beleben Menschen mit Migrationshintergrund Deutschlands Wirtschaft nicht nur durch eigene Unternehmensgründungen, sondern auch, indem sie als Arbeitgeber Jobs schaffen. Wer mit offenen Augen durch Herne geht oder fährt, wird diese Studie durchaus nachvollziehen können. Es gibt eine Reihe von Firmenwagen - zum Beispiel im Handwerk -, deren Schriftzug auf einen Inhaber mit Migrationshintergrund hinweist. Die WAZ hat mit zwei Inhabern über ihren bisherigen Weg in die Selbstständigkeit und zum Arbeitgeber gesprochen.
Arbeitslos nach der Lehre
Für Osman Korkut war dieser Weg weit und alles andere als leicht. Der gebürtige Wanne-Eickeler - und inzwischen eingebürgerte Deutsche - machte als Jugendlicher an der Königin-Luisen-Schule seine Hauptschulabschluss mit der Fachoberschulreife. Über eine Maßnahme beim Internationalen Bund erhielt er eine Ausbildungsstelle als Sanitär- und Heizungstechniker, doch die Lehre verlief ziemlich holprig. Den ersten Betrieb verließ er auf eigenen Wunsch, das zweite Unternehmen ging in die Insolvenz, beim dritten schloss er schließlich seine Lehre ab. Mit Erfolg. Doch der führte nicht in eine Anstellung, sondern in sechs Jahre Arbeitslosigkeit. Korkut vermutet im Rückblick, dass potenzielle Arbeitgeber bei den drei Stellen während der Lehre misstrauisch geworden sind.
Die Anfänge kosteten viel Lehrgeld
Ein Kollege habe ihm vorgeschlagen, die Flucht nach vorn anzutreten und den Meister zu machen. Beim Jobcenter, erzählt Korkut, sei man skeptisch gewesen und habe abgeraten, doch der damals 29-Jährige hatte sein Ziel fest vor Augen. Er meisterte 2011 den Meister. Und obwohl er seit der Lehre keine praktische Berufserfahrung mehr gehabt habe, sei er in der Praxis Klassenbester gewesen.
Korkut meldete seinen Meisterbetrieb an, doch in den ersten Jahren habe er als Chef auch Lehrgeld zahlen müssen. Er hat sich durchgekämpft. Die Auftragslage sei sehr gut, der Betrieb sei in ganz NRW unterwegs. Die Zahl der Mitarbeiter ist auf neun gewachsen, vielleicht wird sie demnächst zweistellig.
Die eigene Firma - das war für Pavel Futeryan immer ein Traum. Der gebürtige Ukrainer kam als 16-Jähriger nach Deutschland. Seine erste Station: Sprachunterricht. Über ein Praktikum kam er zum Klassiker unter den Ausbildungsberufen: Kfz-Mechaniker. Den Anstoß, sich zur Meisterschule anzumelden, gab die Kündigung wegen eines Krankenscheins. Um während der Meisterschulzeit Geld zu verdienen, jobbte Futeryan nachts in einer Tankstelle eines Bekannten. Eine gute Vorbereitung auf seine heutige Aufgabe, denn seit 2007 ist Futeryan Pächter der Total-Tankstelle - inklusive Kfz-Werkstatt - am Eickeler-Bruch in Eickel. Zeitweise hat der 35-Jährige auch Tankstellen in Castrop-Rauxel und Rheine betreut. Auch Futeryan erzählt von Fehlern in der Anfangszeit. Doch die sind Vergangenheit. In Eickel beschäftigt Pavel Futeryan drei Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte sowie fünf Aushilfen. Er spüre die Verantwortung, dass sie am Monatsende bezahlt werden können. Abgeben möchte er die Verantwortung nicht. „Ich habe erreicht, was ich wollte“, sagte er. Was nicht bedeutet, dass er keine Pläne mehr hat. Vielleicht werde er irgendwann eine eigene Tankstelle kaufen.