Herne. . Herner wollen sich schützen: Die Polizei Bochum erhält vermehrt Anträge für den „kleinen Waffenschein“. Polizei rät, lieber auf Waffen zu verzichten.

  • Die Polizei Bochum verzeichnet eine erhöhte Nachfrage an Anträgen für den „kleinen Waffenschein“
  • Auch in Herne sind die Menschen nach den Ereignissen der vergangenen Monate verunsichert
  • Sicherer als Waffen sind Selbstbehauptung und Vermeidung von Gefahrensituationen

Nach den Ereignissen der letzten Wochen und Monate haben die Menschen ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Auch in Herne steigt offenbar das Verlangen, sich vor Übergriffen zu schützen. Das zumindest belegt die erhöhte Nachfrage nach dem „kleinen Waffenschein“, den man braucht um, Schreckschuss- und Gaspistolen mit sich führen zu dürfen. 2015 teilte das Polizeipräsidium Bochum – zuständig für Herne, Bochum und Witten – 220 „kleine Waffenscheine“ zu. Bis Ende Juli 2016 gab es bereits 1719 Anträge im gesamten Bereich. Polizeibeamte sehen diese Entwicklung kritisch.

„Wir verstehen, dass viele Menschen aufgrund der Ereignisse, unter anderem in Köln, verunsichert sind“, betont Polizeisprecher Marco Bischoff, „aber für die Sicherheit ist die Polizei zuständig.“ Einen „kleinen Waffenschein“ zu beantragen, sei der rechtlich saubere, aber nicht der beste Weg. „Der Umgang mit einer Waffe ist nicht so einfach, wie es in Filmen aussieht.“ Die Gefahr, sich mit einer Schreckschuss- oder Gaspistole selbst zu verletzen, sei groß. „Man muss sich immer fragen: Bin ich überhaupt in der Lage abzudrücken?“ Oft trage die Waffe nicht zur Deeskalation bei.

Dies bestätigt auch Bärbel Solf, Dienstellenleiterin der Kriminalprävention: „Der Einsatz von Waffen sollte vermieden werden.“ Zu Großveranstaltungen dürfe man sie eh nicht mitnehmen. Es gehe viel mehr darum, gar nicht erst in gefährliche Situationen zu geraten.

Gefährliche Situationen meiden

Die Polizei biete regelmäßig Frauen-Selbstbehauptungskurse an. „Wichtig ist es, auf sein Bauchgefühl zu achten, wenn man alleine unterwegs ist.“ Habe ich ein schlechtes Gefühl, einen dunklen Weg entlangzugehen? Kommen mir die Menschen um mich herum seltsam vor? Wenn ja: „In solchen Fällen sollte man Umwege in Kauf nehmen oder sich Hilfe holen.“ Beispielsweise könne man sich einer Gruppe anschließen.

Darüber hinaus rät die erfahrene Kriminalpolizistin dazu, Ausgänge zu planen. „Irgendjemand sollte wissen, wo ich bin. Bei unseren Kindern verlangen wir das, warum nicht auch bei uns selbst?“

Sollte man tatsächlich bedroht werden, sei es wichtig, Hilfe zu holen. „Klingeln Sie am nächsten Haus, aber rufen Sie nicht Hilfe – sonst öffnet ihnen keiner“, rät sie. Notlügen seien in solchen Situationen erlaubt: „Rufen Sie ,Feuer’, so kommen Sie unter Garantie ins Haus und können dort in Sicherheit alles aufklären.“

Wer möchte, könne auch ein Pfefferspray mit sich führen. Ein Waffenschein sei dazu nicht nötig. Die Handhabung des Sprays sollte aber trotzdem vorher geübt werden. „Man muss immer im Hinterkopf haben, dass es einen selber treffen kann oder es bei Brillenträgern nicht so effektiv ist.“

So wehre ich mich im Ernstfall

Wie verhalte ich mich, wenn es zu spät ist, um Hilfe zu holen und ich bedroht werde? Bärbel Solf, Leiterin der Kriminalprävention, rät, Distanz zu schaffen – emotional wie körperlich. „Lassen Sie nicht zu, dass Situationen sich hochschaukeln. Handeln Sie mit Verstand.“ Wichtig sei, sich zu einer Handlung zu entschließen und sie durchzuziehen. Fußspitzen und die Nase seien sehr empfindlich und leichte Ziele. „Wenn man von hinten festgehalten wird, sollte man die Finger des Angreifers umbiegen, damit er loslässt.“ Man soll aus der passiven Opferrolle ausbrechen – und sei es, indem man den Angreifer irritiert: Taschenalarme stoßen einen lauten Ton aus, der einem im besten Fall die Flucht ermöglicht. „Schmeißen Sie ihn in die Botanik, damit der Angreifer ihn nicht ausschalten kann und suchen Sie das Weite.“

Übrigens sollte bei jedem Übergriff die Polizei verständigt werden. Weitere Infos zum Thema gibt es unter www.aktion-tu-was.de. Wie leicht man anderen helfen kann, zeigt das Video „Zivilcourage mit Macht“.