Herne. . Soll es für Bundestagsabgeordnete maximal zwei Wahlperioden geben? So lautet ein Vorschlag. Das sagen aktuelle und ehemalige Parlamentarier aus Herne.
Wie lange soll ein Bundestagsabgeordneter Mitglied im Parlament bleiben? Der Linke-Politiker Jan van Aken meint: Zwei Legislaturperioden sind genug. Das sehen aktuelle und ehemalige Bundestagsabgeordnete aus Herne anders.
Etwa Michelle Müntefering. „Politiker wie Wehner, Brandt, Schmidt oder auch Rita Süßmuth hätte es so nie gegeben“, meint die SPD-Politikerin, die 2012 in den aktuellen Bundestag gewählt wurde. Denn: „Um eine starke Abgeordnete zu sein, braucht es Erfahrung und Zeit.“ Das deutsche Parlament sei „kein Schnellrestaurant, in dem man mal eben etwas bestellt“, sagt die 36-Jährige. Politik sei das Bohren dicker Bretter. Wer dazu die Leidenschaft verliere, habe im Bundestag keinen Platz mehr. Das beste an der Demokratie sei aber: „Darüber entscheiden am Ende immer die Wahlen“, so Michelle Müntefering.
Ingrid Fischbach: Wähler entscheiden
Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Ingrid Fischbach (59) lehnt die Forderung von van Aken ab. Die Wähler, begründet sie, hätten bei jeder Bundestagswahl die Möglichkeit, die Parlamentszugehörigkeit der Abgeordneten durch ihre Stimme zu beenden. Im Grundgesetz sei dafür ein Zeitraum von maximal vier Jahren als Begrenzung festgelegt.
Jan van Aken
Der Linken-Politiker und Bundestagsabgeordnete Jan van Aken fordert Höchstgrenzen für die Zugehörigkeit von Abgeordneten im Bundestag. „Zwei Legislaturperioden sind genug – und zwar aus privaten wie aus politischen Gründen“, sagte er.
Er fände es richtig, „wenn es einen häufigeren Wechsel im Bundestag gäbe“, fügte der 55-Jährige an. Van Aken, auch Greenpeace-Aktivist, sitzt seit 2009 im Bundestag. 2017 will der gebürtige Reinbeker nicht noch einmal kandidieren.
„Auf diese Weise“, so die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, „kann sowohl gute wie auch schlechte Arbeit entsprechend honoriert werden.“ Fischbach, die 1998 über die Landesliste ins Parlament einzog, beendet ihre Bundestagslaufbahn nach ihrer vierten Wahlperiode im nächsten Jahr.
Gerd Bollmann: Vorschlag ist „Quatsch“
Gerd Bollmann, Vorgänger von Michelle Müntefering, wurde dreimal direkt in den Bundestag gewählt: 2002, 2005 und 2009. Die Idee, die Zeit eines Abgeordneten auf eine Wahlperiode zu begrenzen, nennt der SPD-Politiker „Quatsch“. Dass sie von einem Linke-Politiker stamme, verwundere ihn nicht, sagt er schmunzelnd, befinde sich die Fraktion doch in der meist ungeliebten Oppositionsrolle: „Da reichen den Abgeordneten wahrscheinlich zwei Wahlperioden.“ Im Ernst: Eine Wahlperiode brauche ein Abgeordneter bereits, um sich zurechtzufinden in Berlin, anschließend könne er mit Erfahrung weitermachen. Wie lange er im Bundestag bleiben wolle, müsse der Abgeordnete am Ende selbst entscheiden, so der 68-Jährige. Und natürlich der Wähler.
Dieter Maaß: Begrenzung auf drei Wahlperioden sinnvoll
Bollmanns Vorgänger Dieter Maaß (77) wurde ebenfalls dreimal in den Bundestag gewählt: zwischen 1990 und 2002. Eine Begrenzung auf diese drei Perioden fände er gut. Auf diese Weise könnten Abgeordnete noch in den Beruf zurückkehren.
Franz Müntefering: „Das nutzt unserem Land“
Ex-Vizekanzler Franz Müntefering reagiert gelassen auf den Vorschlag des Linke-Politikers. „Herr van Aken sollte nicht die Regeln der Demokratie in Frage stellen, sondern einfach gehen“, sagt der 76-Jährige mit Wohnsitz in Herne zur WAZ. Das sei sein unbestrittenes Recht. „Unser Land wird’s überstehen“, fügt Müntefering an. Er hat es zwischen 1975 und 2013 neben seinen Ministertätigkeiten mit Unterbrechung auf insgesamt zehn Legislaturperioden im Bundestag gebracht.
Im Schnitt, erklärt Franz Müntefering, säßen Abgeordnete neun Jahre im Bundestag. Andere dagegen blieben länger engagiert und behielten das Vertrauen der Wähler, manche für Jahrzehnte: „Sie sammeln Erfahrungen und entwickeln Fähigkeiten, das Land verantwortlich leiten und lenken zu können“, so der ehemalige SPD-Chef. Um anzufügen: „Das nutzt unserem Land.“