Herne. . Vulkan ist ein Aushängeschild der Herner Unternehmen. Nun ist eine Firmentochter in der Krise. Geschäftsführer Sebastian Hackforth spricht über Gründe

Die Cranger Vulkan-Gruppe gilt seit Jahrzehnten als ein Aushängeschild der Herner Unternehmen. Der Hersteller von Schiffskupplungen ist ein Weltmarktführer. Doch vor wenigen Wochen wurde die Belegschaft mit der Nachricht konfrontiert, dass es Probleme bei der Unternehmenstochter Vulkan Kupplung und Getriebebau (VKG) gibt. Vulkan-Geschäftsführer Sebastian Hackforth erläutert im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann Ursachen und Lösungsansätze.

Woher kommen die Probleme bei Vulkan?

Hackforth: Die Probleme sind begrenzt auf die VKG. Dort sind weniger Aufträge im Markt. Die großen Werften in Korea haben existentielle Probleme und Vulkan bekommt zudem weniger Aufträge, weil unsere Kosten höher sind. Wir haben 2008 Überkapazitäten geschaffen, weil wir dachten, dass der Umsatz aus dieser Zeit anhält, und diese Überkapazitäten haben wir nie konsequent zurückgebaut. Wir haben sie mit durchgeschleppt, und das merken wir jetzt. Deshalb sind unsere Kosten anders als die mancher Wettbewerber.

Sie können also nicht so günstig anbieten wie die Wettbewerber...

...Wir können zu viele Aufträge im Wettbewerb nicht gewinnen. Wir haben auch Rahmenaufträge verloren, deshalb müssen wir jetzt etwas machen. Die Tatsache, dass wir weniger Aufträge haben, führt dazu, dass wir eine Auslastung von 50 Prozent haben. Und es ist nicht absehbar, dass es sich erholt.

Aber den deutschen Werften, zum Beispiel, geht es doch gut.

Deutsche Werften spielen für uns eher eine untergeordnete Rolle. Wir haben eine deutliche Abkühlung in China und Korea, da sind die großen Werften. Das merken auch die ausländischen Tochtergesellschaften. 2015 war ein gutes Jahr für Vulkan, auch für Kupplungen. Die ersten drei Monate 2016 waren auch noch gut, aber da haben wir schon gemerkt, dass der Auftragseingang deutlich runter gegangen ist, damit auch der Umsatz. Und es ist nicht besser geworden. Wir müssen damit rechnen, dass sich das bis 2017, 2018 durchzieht. Deshalb müssen wir jetzt die Kapazitäten anpassen.

War es ein Fehler, die Kapazitäten nicht früher anzupassen?

Wir haben die Kapazitäten aufgebaut, weil wir 2008 die Nachfrage kaum befriedigen konnten. Auch mit dem Ausblick, dass es weiter wächst. Wir haben danach aber nicht konsequent zurückgebaut. Bei der Leiharbeit ja, aber die strukturellen Überkapazitäten nicht. Das war ein Fehler.

Deshalb wollen Sie Kosten senken, indem Sie aus der Tarifbindung herauswollen. Aber das spart ja zunächst keine Kosten. Die Tarifverträge bleiben ja gültig.

Das ist keine kurzfristige Maßnahme. Die Tariferhöhungen für 2016 und 2017 sind gültig. Es geht um Tariferhöhungen in der Zukunft. Die aktuelle Tariferhöhung bedeutet für unseren Standort 1,5 Millionen Euro. Das passt in der jetzigen Situation nicht. Wenn ich das umrechne, ist das am Ende Personal. Die Frage ist: Machen wir die 1,5 Millionen Euro Tariferhöhung mit, dann kann man durchrechnen, wie viele Mitarbeiter morgen nicht mehr da sind. Oder setzen wir zwei Jahre aus, bis wir unsere Aufgaben erledigt haben und reden mit unseren Betriebsräten über Tariferhöhungen, die dann an den Unternehmenserfolg angepasst sogar über den Tarifabschlüssen sein können. Aber dafür müssen wir erfolgreich sein. Das Geld muss verdient sein.

Sie wollen also die Entlohnung der Mitarbeiter an die Entwicklung des Unternehmens koppeln?

Wir müssen. Ansonsten hat das Folgen.

Mit anderen Worten Personalabbau...

Kosteneinsparungen. Da ist Personal immer ein Thema. So wie Material und sonstiger betrieblicher Aufwand. Bei Material kann ich nur mit neuen Produkten Kosten sparen, den Effekt habe ich vielleicht in drei Jahren. Das rückt die Personalkosten in den kurzfristigen Fokus.

Sind betriebsbedingte Kündigungen ein Thema?

Im Moment sprechen wir mit Mitarbeitern im Rahmen eines Freiwilligenprogramms, ob sie Aufhebungsverträge schließen. Das Programm läuft bis Ende August. Wenn das nicht reicht, müssen wir über andere Maßnahmen nachdenken. Darüber werden wir mit unseren Betriebsräten sprechen. Alle sind der Meinung, dass betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden sind.

Wie ist bislang die Reaktion in der Belegschaft?

Alle Mitarbeiter hatten die Gelegenheit, sich von mir in persönlichen Informationsrunden umfassend über die Situation unterrichten zu lassen. Die Leute verstehen, dass wir was machen müssen. Bis jetzt arbeiten wir sehr gut zusammen.

Gab es den Vorwurf, dass mit den Einsparmaßnahmen die Kosten für den Bau der neuen Unternehmenszentrale aufgefangen werden sollen?

Der Vorwurf ist naheliegend, aber falsch. Die Probleme bei der VKG haben nichts mit dem Verwaltungsgebäude zu tun, sie ist nur Mieter in diesem Gebäude. Die Hackforth Holding ist der Bauherr, das Gebäude wurde finanziert durch Geld von den Auslandsgesellschaften und durch Banken.

Wieso wollen Sie eine Verschmelzung zu Vulkan Germany?

Lokring und VGK machen 55 Prozent des Umsatzes mit unseren Tochtergesellschaften. Teilweise kann es sein, dass ein Einkäufer bei Lokring einen Sack Lokringe bestellt und ein paar Minuten später bei VKG drei Kupplungen. Dann werden beide Bestellungen durch beide Organisationen bis zur Auslieferung durchgeschleust. Alle Funktionen werden doppelt durchgegangen. Teilweise fahren die Lkw hier am gleichen Tag im Windschatten zur Tochtergesellschaft nach Italien. Aber VKG muss erst wettbewerbsfähig gemacht werden, dann erst werden wir verschmelzen.

Vulkan war immer Weltmarktführer. Wieso ist das Unternehmen bei Kupplungen plötzlich nicht mehr wettbewerbsfähig?

Die Entscheidung, eine Kupplung zu kaufen, wurde früher von Technikern getroffen. Da waren wir nahezu unschlagbar. Heute kommen die Einkäufer, und die kommen aus dem Automobilbereich. Da geht es streng um Kosten. Das ist so, als ob sie zwei Flaschen Cola im Regal haben. Eine hat einen vergoldeten Deckel, das ist unsere. Das ist interessiert die Kunden aber nicht, die sagen, ich kaufe und trinke die Cola, nicht den vergoldeten Deckel. Wir müssen unseren Deckel also wieder auf Plastik umstellen und uns noch stärker auf den echten Kundennutzen konzentrieren.

Wie sieht es denn aus mit neuen Produkten?

Wir müssen in Zukunft auch Kupplungen bauen, die verglichen mit einem Auto in einer Grundausstattung zu haben sind. Und genau das am besten können, was der Kunde haben möchte. Unsere Kupplungen sind historisch bedingt eher alle mit Vollausstattung und somit am Kundennutzen gemessen overengineered. Die beinhalten oft viel mehr als der Kunde von uns fordert. Wir sind stolz darauf, dass unsere viel mehr können, aber der Kunde sagt oft: Ich will nur die Kupplung mit Grundausstattung. Wir sind mit unserem Knowhow über das Ziel hinausgeschossen. Wir müssen entfeinern.

Sie sind also zu gut?

Wir sind, was den Standard unserer Kupplungen angeht in der Ausstattung zu umfassend, ja. Oft zu umfassend für das, was der Kunde wirklich haben will. Dadurch sind wir teurer, und das will der Kunde heute nicht mehr bezahlen. Zu viel Material und Produktionsschritte. Wir müssen zurückfahren auf Standardkupplungen. Und wenn der Kunde mehr haben will, muss er für die Sonderausstattung und den Mehraufwand zahlen, wie beim Auto.

Setzen Sie so nicht den Ruf als Weltmarktführer aufs Spiel?

Ich messe Weltmarktführer nicht nur an der Reputation, sondern am Ende an Aufträgen und am Umsatz. Das setzen wir eher aufs Spiel, wenn wir uns nicht verändern. Wir können der Weltmarktführer sein, von dem alle sagen, die bauen Kupplungen, das glaubt Ihr gar nicht, aber die will nicht jeder kaufen. Dieser Weltmarktführer will ich nicht sein. Wir möchten weiterhin der Porsche unter den Kupplungen sein, aber die optimale Leistung gibt es auch schon in kleineren Modellen und in der Grundausstattung. Wir müssen knallhart um Aufträge kämpfen. Und am Ende Umsatz sichern, mit dem wir Löhne und Gehälter bezahlen. Da bringt mir die Reputation gar nichts, wenn der Preis nicht stimmt. Deshalb müssen wir jetzt strukturelle Probleme lösen, die in den vergangenen zehn Jahren nicht angepackt wurden. Wir müssen VKG so auf Vordermann bringen, dass wir wieder ein Leuchtturm für den Markt, aber auch für die anderen Tochtergesellschaften sind.