Seit gut 100 Tagen ist Beate Wycislok Personalratschefin von rund 2800 Stadtmitarbeitern. Die WAZ sprach mit der 57-Jährigen Sodingerin.
Im Juni ist Beate Wycislok zur Personalrats-Chefin der Stadt gewählt worden. Diese Funktion als oberste Anwältin von rund 2900 Stadtmitarbeitern übte sie zuvor bereits einige Monate kommissarisch aus. WAZ-Redakteur Lars-Oliver Christoph sprach mit der 57-Jährigen.
Sie sind seit 23 Jahren freigestellte Personalrätin und seit gut 100 Tagen Personalratsvorsitzende. Was hat sich für Sie geändert?
Beate Wycislok: Ich habe als Vorsitzende mehr Arbeit. Meinen bisherigen Job als freigestellte Personalrätin für den Beamtenbereich übe ich ja weiterhin aus.
Sie sind praktisch seit Ihrer Einstellung durch die Stadt vor 41 Jahren als Mitarbeitervertreterin aktiv. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Der gewerkschaftliche Hintergrund spielt eine große Rolle. Ich bin 1975 in die Gewerkschaft eingetreten – das war damals noch ÖTV. Meine gesamte Familie war im Bergbau tätig und mein Vater hat mir gesagt: Kind, wenn Du arbeitest, gehst du auf jeden Fall in die Gewerkschaft. Er war dann damals allerdings sehr überrascht, wie unterschiedlich ÖTV und IG Bergbau waren.
Wie haben sich die Arbeitsbedingungen für Stadtmitarbeiter in den vergangenen 40 Jahren verändert?
Es gibt große Veränderungen – sowohl zum Besseren als auch zum Schlechteren. Auf jeden Fall besser geworden sind die Führung, die räumlichen Bedingungen und die Ausbildung. Auf der Strecke geblieben sind Zeit und Kollegialität. Früher könnte man noch mal ein Schwätzchen halten oder sich mit Kollegen austauschen. Dafür fehlt heute einfach die Zeit.
Was ist die größte Verbesserung oder Errungenschaft?
Die größte Errungenschaft ist, dass sich Führung positiv verändert hat, auch wenn es immer noch nicht optimal ist. Wir haben zwar immer noch Führungskräfte, die gehen aus unserer Sicht gar nicht …
Namen werden Sie uns wohl nicht nennen, oder?
(lacht) Nein, das kann ich natürlich nicht. Früher gab es häufig ein patriarchalisches Führungsverhalten mit Obrigkeitsdenken. Männlichen Führungskräfte waren der Meinung, sie hätten das Privileg, sich so zu verhalten. Das hat sich Gott sei Dank verändert.
Noch immer besetzen überwiegend Männer Führungspositionen in der Verwaltung.
Es hat sich aber in den vergangenen Jahren zum Glück etwas getan. Das ist aber nicht passiert, weil Frauen gezielt gefördert wurden, sondern weil viele Frauen eingestellt worden sind. Seit Juli ist im Landesbeamtengesetz eine Frauenquote vorgeschrieben. Das wird sich in den künftigen Auswahlverfahren niederschlagen. Ich gehe davon aus, dass dadurch bei der Stadt mehr Frauen in Führungspositionen kommen.
Was wird die größte Baustelle für den Personalrat in den kommenden vier Jahren sein?
Es gibt viele Baustellen. Mittelfristig wird uns aber wohl das E-Government am meisten beschäftigen, also die digitale Umstellung der Arbeitsabläufe. Die größte Gefahr besteht darin, dass Mitarbeiter sich selbst ausbeuten.
Stichwort: Umstrukturierung des 390 Mitarbeiter zählenden städtischen Gebäudemangements (GMH). Verdi hat vor eineinhalb Jahren aufgrund eines Gutachtens Alarm geschlagen und warnt auch weiterhin. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Wir müssen weiterhin aufpassen, aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Gebäudemanagement soll ja wieder zu einem Fachbereich werden. Dass es auch Veränderungen geben wird, ist ganz klar. Wir werden auch nicht alles abwenden können. Und es ist ja nicht auszuschließen, dass Kolleginnen und Kollegen von dem Prozess profitieren.
Auch das Gesundheitsmanagement war zuletzt ein großes Thema, weil der Krankenstand bei der Stadt mit 9,3 Prozent eine neuen Höchststand erreicht hat. Worauf führen Sie das zurück?
Das liegt an vielen Faktoren. Zunächst einmal ist die Belegschaft im Schnitt sehr alt, weil wir über Jahrzehnte kaum eingestellt haben. Das hat sich erst in den vergangenen drei, vier Jahren geändert. Es liegt aber auch an der großen Arbeitsbelastung, zum Beispiel bei der Feuerwehr oder auch Bereichen mit einem hohen Publikumsaufkommen. Das kenne ich auch noch aus dem Sozialamt. Wenn irgend etwas kursiert, dann fangen sich das die Kollegen im Bürgerbereich häufig etwas ein – sei es eine Erkältung, sei es Durchfall.
Aber die Probleme mit dem hohen Krankenstand sind ja nicht ganz neu. Als es bereits 2013 in der Verwaltung einen neuen Negativrekord gab, sprachen OB und Personalrat von Handlungsbedarf. Heute ist der Krankenstand noch höher. War das vor drei Jahren alles nur heiße Luft?
Man war eindeutig nicht konsequent genug. Wir haben ein Gesundheitsmanagement, das aus meiner Sicht aber nicht ausreicht. Das „altersgerechte Arbeiten“ gibt es in Herne hier und da mal, aber strukturierte und zielgerichtete Maßnahme für Alters- und Berufsgruppen haben wir nicht. Wir setzen auf das neue Dienstrechtsreformgesetz, das ein Gesundheitsmanagement verpflichtend vorsieht.
Wycislok über Duddas Tempo und die Feuerwehrgewerkschaft
Ihr Vorgänger Werner Fiedler hat den Start von Frank Dudda als Oberbürgermeister in den höchsten Tönen gelobt. Schließen Sie sich an?
Auch wenn es sich blöd anhören mag: Ich kann in die Lobeshymnen nur einstimmen. Zum einen ist er als Person ein ganz anderer Mensch als sein Vorgänger Herr Schiereck, er ist angenehmer und verbindlicher. Er lässt in der Regel auch Taten folgen. Wir warten eigentlich auf den ersten Konflikt.
Wir auch.
Es wäre ja auch merkwürdig, wenn wir in unseren unterschiedlichen Rollen immer einer Meinung wären. Dann muss man einfach schauen, wie man miteinander umgeht. Wir sind sehr gespannt, wie er sich dann verhält.
Als sich Herr Dudda vor zwei Wochen auf seiner Facebook-Seite in den Urlaub verabschiedet hat, haben Sie ihm „Erholung, Abstand und viel Spaß mit deinen Lieben“ gewünscht. Haben Sie einen so guten Draht zu ihm oder wollten Sie ihn schon mal gnädig stimmen für anstehenden Auseinandersetzungen?
Wir kennen uns schon sehr lange, auch aus der gewerkschaftlichen Arbeit. Das war also durchaus ehrlich gemeint. Ich finde, er hat eine schnelle Gangart vorgelegt. Er hat viele Themen angepackt und ist sehr rührig. Das kann meiner Meinung nach auf Dauer nicht gut gehen. Deshalb habe ich ihm Erholung und Abstand gewünscht.
Sie sind bei der Personalratswahl für die Verdi-Beamtenliste angetreten. Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft hat Verdi bei der Wahl etwas das Wasser abgegraben und ist mit zwei Vertretern in die Mitarbeitervertretung der Stadt eingezogen. Hat Verdi, hat der bisherige Personalrat die Interessen der Feuerwehrleute nicht oder zu wenig vertreten?
Es gibt mehrere Gründe. Die Hoffnung der Feuerwehrbeamtinnen und -beamten war, dass ihre Interessen durch eine Spartengewerkschaft stärker in Vordergrund gestellt werden. Unser Credo war immer: Ihr seid Teil der Verwaltung – ein wichtiger Teil, aber nicht auf Kosten der anderen. Die Vertreter der Feuerwehr im Personalrat werden nun lernen müssen, Verantwortung zu übernehmen. Verweigerung allein wird ihnen nicht weiterhelfen.
Hat Verdi bei der Personalratswahl der Feuerwehrgewerkschaft nicht kampflos das Feld überlassen, weil auf der Beamten-Vorschlagsliste der Gewerkschaft kein Feuerwehrvertreter auf einem vorderen Platz stand?
Natürlich hätten wir gerne eine Kollegin oder einen Kollegen der Feuerwehr weiter vorne platziert, aber es wollte keiner machen. Es ist kein einfaches Geschäft. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass Personalratsmitglieder der Feuerwehr auch sehr schnell von den eigenen Leuten angefeindet wurden. Das Verständnis, dass sie Teil der Verwaltung sind, ist häufig nicht da.
Wie sieht die Lebensplanung von Beate Wycislok aus? Streben Sie in vier Jahren eine weitere Wahl in den Personalrat an?
Nein. Ich werde jetzt 58. Meine persönliche Lebensplanung sah eigentlich vor, schon mit 58 in der Ansparphase für die Altersteilzeit zu sein. Aber die Altersteilzeitregelung für Beamte wurde vom Rat ja nicht verlängert. Ich habe jetzt 41 Jahre bei der Verwaltung hinter mir, und irgendwann muss es auch mal gut sein. Ich werde die vorgezogene Altersgrenze auf jeden Fall nutzen und mit 63 Jahren aufhören. Deshalb werde ich auch in vier Jahren nicht mehr für den Personalrat kandidieren.
Zur Person: Leidenschaft fürs Lesen und Reisen
Beate Wycislok ist seit 1975 bei der Stadt. Von 1976 bis 1982 war sie Jugendvertreterin. Vor ihrer ersten Freistellung im Personalrat im Jahr 1993 arbeitete die Beamtin unter anderem im Sozialamt.
Die 57-Jährige ist verheiratet. Mit ihrem Mann hat sie viele Jahre in einem Elpeshofer Zechenhaus gewohnt. Heute lebt das Paar an der Kantstraße in Sodingen.
Beate Wycislok hat eine Leidenschaft fürs Reisen. Ihr Lieblingsurlaubsland ist Holland. Doch weil man „Holland auch noch mit 80 machen kann“, steuert sie seit einigen Jahren auch andere Ziele in Europa und darüber hinaus an. Demnächst geht es nach Madrid. Ein weiteres Hobby ist das Lesen. Vor allem Krimis, aber auch Reiseberichte und Kochbücher („ich koche aber nie nach Rezept“) stehen bei der Vielleserin im Schrank
Beate Wycislok ist Mitglied der SPD und stellvertretende Vorsitzende der SPD Herne-Ost.