Herne. . Das Unternehmen „Der Milchbauer“ wird Ende November seinen Betrieb einstellen. Jürgen Stieneke zieht sich aus Alters- und Gesundheitsgründen zurück.
Drei Jahre vor dem 100. Jahrestag der Gründung des Milchhandels von Georg Stieneke wird der Lebensmittel-Großhändler „Der Milchbauer“ Stieneke KG Ende November seinen Betrieb am Großmarkt in Herne einstellen.
Der persönlich haftende Gesellschafter Jürgen Stieneke (69) habe sich aus Altersgründen, aber nach zwei Herzinfarkten auch aus gesundheitlichen Gründen zu diesem Schritt entschlossen, wie Firmenanwältin Elke Schaupeter am Mittwoch und Donnerstag in sieben Güteterminen vor dem Herner Arbeitsgericht die Gründe aller betriebsbedingter Kündigungen zu erläutern versuchte. Die Zahl der betroffenen Mitarbeiter dürfte bei 70 bis 80 liegen (laut firmeneigener Internetseite sind es 40 Mitarbeiter). 19 Beschäftigte zogen vor das Arbeitsgericht.
EGV übernimmt viele Kunden
Dabei äußerten alle Prozessvertreter der klagenden Mitarbeiter im Laufe der Gütertermine die Vermutung, dass es sich bei der Schließung des Lebensmittel-Großhandels mit dem Schwerpunkt Molkereiprodukte eigentlich um einen versteckten Betriebsübergang handele. Auslöser dieser Vermutung: Immerhin übernimmt die EGV AG (Lebensmittel für Großverbraucher) in Unna ungefähr 75 Prozent des Kundenstamms der Stieneke KG. Die EGV, die seit 2015 ein 100-prozentiges Tochterunternehmen von Transgourmet in Basel ist, habe allerdings kein Interesse an Anmietung oder Kauf der Lkw, der großen Hallen mit Kühlzellen, der Büros samt Ausstattung einschließlich der EDV-Anlage am Großmarkt, hieß es vor dem Arbeitsgericht. Die Ausrüstung soll anderweitig verwertet werden.
Kein Sozialplan
Da es bei der Stieneke KG auch keinen Betriebsrat gab, musste auch kein Sozialplan mit Interessenausgleich und dem Ziel von Abfindungen für die zum Teil langfristig Beschäftigten verhandelt werden. Ein Mitarbeiter schilderte das so: „Ich wurde zum Chef reingerufen, der mir 500 Euro in die Hand drückte und mir weitere tausend in Aussicht stellte, wenn ich bis zum Ende meiner Kündigungsfrist weitermache und keinen Krankenschein nehme.“
Ein gekündigter Mitarbeiter soll Mitte April auf der Betriebsversammlung zur Schließung des Unternehmens seine Absicht bekundet haben, im kleinen Rahmen weiter machen zu wollen. Immerhin gibt es ein Viertel des Kundenstamms, das die EGV nicht übernommen hat: Eisdielen und Pizzerien. Die bisher verhandelten sieben Klagen, denen noch zwölf weitere Gütetermine im August folgen, werden in der letzten Septemberwoche in Kammerterminen entschieden. (AZ 6 Ca 1398/16 u.a.)
Die Kunden sitzen in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens
Jürgen Stieneke hatte sich im vergangenen Jahr im Gespräch mit der WAZ als „kleiner Großhändler“ bezeichnet. Der Betrieb mit Sitz am Großmarkt in Baukau beliefert K rankenhäuser, Altersheime, Pizzerien, Eisdielen oder Großküchen in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens. Die Kunden sitzen nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in K öln, Viersen, Nettetal, in Ostwestfalen oder Siegen.