Herne. . Die meisten Franzosen in Herne feuern die Équipe Tricolore an. Deutsche in Hénin-Beaumont jubelt für Boateng & Co.
Wenn Deutschland heute Abend um 21 Uhr gegen Frankreich im Halbfinale der Europameisterschaft steht, heißt es: Weltmeister gegen Gastgeber, Baguette gegen Brötchen, Crêpe gegen Currywurst. Genug der Klischees. Was zählt, ist auf’m Platz. Die Erwartungen an La Mannschaft und Les Bleus sind groß. Die WAZ hat sich bei Frankreich- affinen Hernern und französischen Freunden aus der Partnerstadt Hénin-Beaumont umgehört, wie sie die Chancen der Teams einschätzen.
Wie die Stadt auf Nachfrage mitteilt, leben in Herne aktuell 63 Franzosen. Eine von ihnen ist Michelle Baltes. Sie lebt seit 49 Jahren in Deutschland. Sie hat beide Staatsbürgerschaften und meint: „Möge der bessere gewinnen.“ Sie freue sich über jeden Sieg. Auch Danielle Keck lebt in Herne und ist gebürtige Französin. Die Verwaltungsangestellte im Revierpark Gysenberg zog vor mehr als 40 Jahren von Lothringen ins Ruhrgebiet. Sie begleitete viele Male den Austausch zwischen Herne und Hénin-Beaumont. Ihr Herz schlägt für beide Länder, und doch lautet ihr Tipp für das Halbfinale: „Frankreich wird gewinnen, und zwar 2:1.“ Anschauen werde sie sich das Spiel aber nicht – zumindest nicht live. „Das kann ich nicht. Mir ist das immer viel zu aufregend und ich würde am liebsten in den Fernseher kriechen und den Ball selbst ins Tor schießen“, erzählt sie lachend. Stattdessen zappe sie zwischendurch mal rein und schaue sich später die Zusammenfassung an.
Spannend wird es wohl auch im Hause Rivereau. Yves Rivereau, Vereinsvorsitzender des Partnerschaftsvereins in Hénin-Beaumont, feuert die Équipe Tricolore an, seine deutsche Gattin Maria Jogis Jungs. Während er im Telefoninterview über „La Mannschaft“ herzieht, ruft sie im Hintergrund: „2:1 für Deutschland.“ Ihr Gatte tippt derweil 2:1 für seine Landsleute. „Die Franzosen sind einfach besser als die Deutschen“, sagt er. Außerdem seien viele Deutsche gesperrt. „Schade, dass Boateng nicht auch gesperrt ist“, sagt er hämisch.
Jubel gibt’s in jedem Fall
Etwas entspannter ist der französisch-stämmige Herner Musiklehrer Guy Bitan. „Ich habe beide Staatsbürgerschaften. Ich kann also nur gewinnen“, meint er. Er ist gelassen, was das Spiel angeht. Der Deutsch-Franzose lebt in Gelsenkirchen und ist Fachbereichsleiter für Streich- und Zupfinstrumente an der Städtischen Musikschule. Ihn beschäftigen vielmehr die hohen Kosten für das fußballerische Großevent. „Über Fußball redet man viel, bei Kunst wird immer gespart“, bemängelt er. Fußballer seien Millionäre, Künstler bekämen häufig keinen Cent. „Das ist ekelhaft“, findet er – wird sich das Spiel aber trotzdem mit Freunden ansehen. Jubeln könne er schließlich in jedem Fall.