Herne. . Sonja Neugebauer betreibt eine Immobilienagentur. Die Lage mitten im Ruhrgebiet sei optimal, aber es sei trotzdem mühselig, hier Wohnungen zu vermarkten, berichtet die 50-Jährige.
Im Herzen des Ruhrgebiets gibt es eine kleine Immobilienagentur, die Objekte im Herzen des Ruhrgebiets anbietet. Ausgerechnet hier, wo die Menschen oft eher weg- als hinziehen, und wo die Preise für Häuser und Wohnungen im Keller sind wie kaum woanders. In einer Stadt mit einer der höchsten Arbeitslosenquoten in Deutschland muss sich auch Immobilienmaklerin Sonja Neugebauer nach der Decke strecken. In einer Stadt, wo alte Maschinenhallen verrotten und Industriegelände brach liegen, fühlt sich die 50-Jährige wohl, schließlich ist es ihre Heimat.
Mit dem Wohnmobil zu den Kunden
„Leider hat Herne keinen guten Ruf. Ich finde aber, hier ist es schön. Es gibt doch in jeder Stadt Flecken, wo man sich nicht niederlassen möchte, aber auch schöne“, sagt die Immobilienwirtin mit Wirtschaftsakademie-Diplom. Ihre Eltern haben Ende der 60er-Jahre den Grundstein gelegt für das Immobilienbüro, Mutter Erika steht ihr mit ihren 72 Jahren immer noch zur Seite, Vater Dieter arbeitete bis Ende 2013 an der Markgrafenstraße – bis kurz vor seinem Tod. „Mein Vater ist am Anfang mit seiner Schreibmaschine von Haus zu Haus gezogen, später hatte er sein Büro in einem Wohnmobil. Damit fuhr er zu den Baustellen, um Häuser und Wohnungen direkt vor Ort zu vermarkten“, erinnert sich Sonja Neugebauer. Sie selbst sei oft genug mitgefahren, lernte ihren Job – das kann man wohl sagen – von der Pike auf.
Beliebt und entsprechend hochwertige Wohnlagen seien in Herne seit eh und je die Schaeferstraße, alles um den Stadtgarten, das Dichterviertel, weiß die an der Markgrafenstraße in Herne-Mitte ansässige Maklerin. Auch komplett Herne-Süd sei begehrt, vorzugsweise Immobilien am Ententeich: „Gut, dass die Stadt dort jetzt ein Grundstück von der Kirche gekauft hat“, lobt Sonja Neugebauer. Es solle schließlich nicht alles „zugebaut“ werden. Na klar, damit die Immobilien drumherum attraktiv bleiben, auch für die Maklerin selbstverständlich. „Ich kann nur Immobilien verkaufen, wenn das Umfeld stimmt.“
Günstiger Durchschnittspreis
Richtig schön sei es auch in einigen Quartieren Wannes, am Eickeler Markt und im schon fast ländlichen Holsterhausen. Natürlich gebe es auch weniger schöne Ecken, die möchte die Maklerin aber nicht „stigmatisieren“. Im Angebot hat Sonja Neugebauer Eigentumswohnungen, Ein-und Mehrfamilienhäuser, Wohngeschäftshäuser, Grundstücke und Gewerbeobjekte sowie Mietwohnungen.
„Der Durchschnittspreis für den Quadratmeter Kaltmiete in Herne liegt bei 5 Euro, das ist sehr günstig“. Eigentumswohnungen gebe es, wenn sie gebraucht und nicht in Top-Lage sind, zum Schnäppchenpreis von 800 Euro pro Quadratmeter, neue und gut gelegene Wohnungen kosten auch in Herne ihren Preis: 2800 Euro sind hier allerdings die Obergrenze – und nicht 5000, 6000 Euro und mehr wie in Köln oder München.
Viel Grün und viel Kultur
Zurzeit vermarktet Sonja Neugebauer Neubau-Eigentumswohnungen an der Vödestraße, zwischen 76 und 132 Quadratmeter groß. Einige hat sie schon verkauft – im Auftrag der Herner Gesellschaft für Wohnungsbau (HGW).
Sonja Neugebauer ist gerne in Herne: „Ich kann es nicht verstehen, wir haben hier viel Kultur anzubieten und viel Grün, auch die Lage mitten im Ruhrgebiet ist optimal, aber es ist trotzdem mühselig, hier Wohnungen zu vermarkten.“ Das Angebot sei groß, die Zahl der Interessenten gering, entsprechend niedrig das Preisniveau. Seit ein bis zwei Jahren habe sich der Trend allerdings umgekehrt: „Bei Ein- und Zweifamilienhäusern können wir auf Grund der niedrigen Zinsen auf Hypothekendarlehen keine Objekte mehr anbieten, und auch bei Eigentumswohnungen wird es langsam knapper.“
Eine Lokalpatriotin
Andererseits könnten mitten im Revier nur Immobilienmakler überleben, die eine relativ hohe Anzahl an Objekten an die Leute brächten, im Gegensatz zu einem Makler in München, beispielsweise. „Dort werden ja ganz andere Summen erzielt.“
Als Neuling – darüber ist sich Sonja Neugebauer im Klaren – würde sie kein Maklerbüro mehr in Herne eröffnen. Allein das Internet sei ein starker Konkurrent geworden, allerdings Fluch und Segen zugleich, weil auch sie selbst über das Netz Angebote präsentiere. Als Lokalpatriotin – auch das weiß Sonja Neugebauer ganz genau – bleibt sie aber auf jeden Fall in dieser Stadt: „Ich würde niemals woanders arbeiten wollen, in Großstädten ist es mir viel zu hektisch, und hier habe ich meinen Freundeskreis.“