Herne. . Ralf Piorr hat die Konzeption für die Neugestaltung des Hauses in Unser Fritz jetzt dem Kulturausschuss vorgestellt.
Die Kulturpolitik war schier begeistert: Was ihnen Ralf Piorr da gerade mit Unterstützung von Computergrafiken über den Umbau des Museums in Unser Fritz erklärt hatte, übertraf offenbar alle Erwartungen. Von einem „Heimatmuseum modernen Stils“ hatte Museumsleiter Oliver Doetzer-Berweger gesprochen, der Vortrag des Ausstellungskurators Piorr vor dem Kulturausschuss ging erstmals ins Detail. 90 Jahre Alltagsgeschichte, von 1890 bis 1980, will das Haus noch in diesem Jahr präsentieren.
„Im alten Museum haben die Menschen kaum eine Rolle gespielt“, knüpfte Ralf Piorr an die Erinnerungen vieler Kulturausschussmitglieder an. Schmetterlinge, Steine und Technik bildeten bekanntlich ein munteres Sammelsurium. „Frauen, Arbeiter oder Migranten waren nicht vertreten.“ Das soll sich nun ändern. Während die naturkundlichen Exponate verschwunden sind, werden Stücke wie der Bergbaustollen in einen neuen Kontext gestellt. „Er wird etwas über das Bergarbeiterleben erzählen und über Bergwerksunglücke.“
„Erzählen“ ist das Stichwort. Ralf Piorr hat sich verschiedene Themen überlegt, die anhand von ausgesuchten Exponaten anschaulich werden sollen. Die 50er-Jahre etwa, das „Wirtschaftswunderland“, grüßen mit der typischen „Gelsenkirchener Barock“-Einrichtung samt Kinderstühlchen, röhrendem Hirsch an der Wand und Fernsehapparat mit Füßen. Den Alltag der Frauen greift eine Waschmaschine von 1952 auf. „Die haben wir von Miele bekommen“, berichtet Ralf Piorr. Eine Wäscheleine mit Feinripp-Wäsche vor einer Industriekulisse weckt ebenso Erinnerungen wie Petticoat und Vespa.
Nach gleichem Prinzip sind die anderen Räume eingerichtet. Für die Abteilung 70er-Jahre ist beispielsweise schon ein Bonanza-Fahrrad angeschafft und das Jugendzimmer aus dieser Zeit bekommt eine Hörstation mit Schlagern von Jürgen Marcus. „Exponate aus den 60er- und 70er-Jahren suchen wir noch“, gab Piorr bei dieser Gelegenheit bekannt. Dunkle Kapitel der Stadtgeschichte sollen in der Ausstellung nicht ausgespart werden: Auch Verfolgung, Flucht und Zerstörung kommen zur Sprache, ohne dass die Ausstellung allerdings „unendlich in die Tiefe gehen“ könne, kündigte Piorr an. Grundsätzlich wolle die neue Ausstellung durchaus auch unterhalten.
Die alte Drogerie Kleffmann, für viele die Attraktion des alten Heimatmuseums, bleibt, und auch das von Bochum zur Verfügung gestellte historische Klassenzimmer von 1910 ist Teil der Erzählung, ebenso der Fortuna-Kiosk im Hof. Auch das Büfett der Kulturgaststätte „Sonne“ hat Ralf Piorr gerettet, es kommt in einer „Kneipe“ neu zur Geltung.
Über eine „Neubewertung von Heimat“ freute sich Grünen-Politiker Peter Liedtke, die „sozialgeschichtliche Ausrichtung“ fand Jürgen Klute (Linke) spannend. Lutz Hammer (SPD) gratulierte zum „tollen Konzept“, Barbara Merten (CDU) war „positiv überrascht“ und Erhard Nierstenhöfer (Piraten/AL) wünschte sich eine Sitzung im historischen Klassenzimmer.