Herne. . Susanne Wolf, Chefin der Schuldnerberatung, kritisiert die Bundespolitik wegen der Energiearmut vieler Menschen. Ihr Appell wurde kaum gehört.

Susanne Wolf, Geschäftsführerin der Schuldnerberatung Herne, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bundespolitik. Diese nehme nicht zur Kenntnis, dass der derzeitige Hatz-IV-Satz für Strom minimal - und damit unsozial - ist. „Die Bundesregierung muss begreifen, dass sie eine ganze Bevölkerungsgruppe ins Elend treibt“, betont Wolf mit Blick auf etwa 352 000 Stromsperren in Deutschland im vergangenen Jahr.

Ende 2015 hatte Wolf in einem Brief an die Kommunal-, Landes- und Bundespolitik auf die dramatische Situation aufmerksam gemacht. Es war nach 2013 bereits der zweite Appell. Inhalt: „Sinkende Einkommen und massiv steigende Lebenshaltungskosten, insbesondere steigende Energiekosten bringen immer mehr Menschen unverschuldet in große Not.“ Zur Begleichung von Stromschulden müssten Darlehen aufgenommen werden. Bereits in früheren Gesprächen mit der WAZ-Redaktion hatte Wolf davon gesprochen, dass Menschen in der eigenen Wohnung obdachlos seien, weil der Strom abgestellt worden sei. Die Folgen seien lebensgefährlich. Wolf erinnerte an einen jungen Mann, der 2010 in seiner Wohnung verbrannte, weil er versucht hatte, mit Kerzen ein wenig Licht zu machen. „Wir appellieren an Sie: Setzen Sie sich für die wachsende Zahl notleidender Mitbürger ein und helfen Sie“, hieß es am Ende des Briefs.

Gute Kooperation mit Stadtwerken

Gerade vor dem Hintergrund der Vorweihnachtszeit - der Brief trägt das Datum 4. Dezember - hatte Wolf sich eine rege Resonanz erhofft. Diese Hoffnung habe sich nicht erfüllt. Die Zahl der Antworten lässt eine ernüchterte Schuldnerberaterin zurück. Etwa 100 Briefe verschickte Wolf, etwa 20 der Angeschriebenen antworteten. Gerade von den Fraktionen des Bundestages habe es keine Reaktion gegeben, auch bei den Gewerkschaften sei Fehlanzeige gewesen. Besonders nachdenklich stimmt Wolf, dass die Herner Landtagsabgeordneten Alexander Vogt (SPD) und Thomas Nückel (FDP) sowie die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering (SPD) nichts von sich hören ließen. Dagegen hat der OB in seinem Antwortschreiben angekündigt, dass er Sozialdezernent Johannes Chudziak darum beten werde, nochmals zu prüfen und dies in den Grenzen des Jobcenters anzuregen, wie zumindest die rechtlich gesicherte Frage des „Heizstroms“ möglichst bürgerfreundlich geregelt werden könne. „Die Nicht-Reaktionen sind ein Weggucken. Es interessiert sie nicht“, so Wolf. Viele Politiker seien weit weg vom normalen Volk. Dabei müssten sie endlich zur Kenntnis nehmen, dass akuter Handlungsbedarf besteht. „Strom ist wie Brot“. Werde der Strom abgestellt, werde eine Lebensader abgeschnitten.

Wolf wies darauf hin, dass die Schuldnerberatung ausgezeichnet mit den Herne Stadtwerken zusammenarbeite, es seien in vielen Fällen Regelungen möglich, ohne dass der Strom abgedreht werde. Oft würden Klienten aber zu spät kommen und die Schulden seiendann so hoch, dass es schwierig sei, eine Vereinbarung zu finden.

Forderung nach Sozialstromtarif

Angesichts der Tatsache, dass inzwischen Steuer, Abgaben und Umlagen mehr als die Hälfte des Strompreises ausmachten, fordert Wolf die Einführung eines Sozialstromtarifs. Sie sei aber auch offen für andere Lösungen.

Wenn man um die Hartnäckigkeit der Geschäftsführerin weiß, kann man sich gut vorstellen, dass spätestens in zwei Jahren viele Funktionsträger in Stadt, Land und Bund wieder einen „lieben“ Brief von der Schuldnerberatung aus Herne erhalten werden.