Die Versorgungsforschung hat Dr. Dietrich Hüppe und seine Kollegen weit über Hernes Grenzen hinaus bekannt gemacht. Ohne Fördermittel baute die Gemeinschaftspraxis die Herner Vorsorgekoloskopie-Datei auf
WAZ-SERIE Einfach den vorgezeichneten Weg zu gehen, ist die Sache von Dr. Dietrich Hüppe nicht. Der Herner Mediziner hat seine Biografie nicht in Bahnen lenken lassen, er selbst hat sie gestaltet. Die Versorgungsforschung seiner Gemeinschaftspraxis, in diesem Jahr war sie für den Felix Burda Award nominiert, hat dem Gastroenterologen und seinen Kollegen weit über Herne hinaus Beachtung gebracht. Und Hüppe will weiter schauen, was er - wie er es nennt - "Sinnhaftes für die Gesellschaft" tun kann. Mit der Kraft, die ihm als Kassenarzt zur Verfügung steht.
Mit seinen Kollegen aus dem Ärztehaus an der Wiescherstraße, Dr. Gisela Felten und Prof. Heinz Hartmann, hat Hüppe im Oktober 2002 eben dieses viel beachtete und in Fachpublikationen veröffentlichte Forschungsprojekt gestartet: Das Trio ist der Frage nachgegangen, ob die seit dem Jahr 2002 von den Krankenkassen bezahlte Vorsorge-Darmspiegelung für Patienten ab 55 tatsächlich Leben retten hilft. Ohne einen einzigen Cent Fördermittel, dafür mit 35 000 Euro aus der eigenen Kasse bauten Hüppe, Felten und Hartmann die "Herner Vorsorgekoloskopie-Datei" auf. Hierin sind bis heute Daten von Tausenden Patienten eingeflossen - darunter mehr als 7000 Patienten, die sich ohne vorherige Beschwerden der Vorsorge-Spiegelung unterzogen haben, und andere, die zum Zeitpunkt der Spiegelung bereits über Krankheitssymptome geklagt hatten. Die Studie läuft bis 2012, die bisherigen Ergebnisse bestätigen den Nutzen der Vorsorge, die Krebs im frühen Stadium zu entdecken hilft.
In Deutschland gibt es rund 1500 Gastroenterologie-Praxen, nur vielleicht 20 davon betreiben zeit- und kostenaufwändige Versorgungsforschung. Dass Hüppe und seine Kollegen dazuzählen, so der 58-Jährige, liege im eigenen Antrieb begründet, Fragen auf den Grund gehen zu wollen. Schon als Jungspund hat Hüppe die Welt verändern wollen. Als aktiver 68er . . .
So war es nicht sein Ding, in die Fußstapfen des Vaters zu treten, der an der Gräffstraße im Herner Süden in der familieneigenen Getränkefabrik "Hetali" (Herner Tafelwasser und Limonaden) noch in den 1960er-Jahren mit 35 Mitarbeitern täglich bis zu 2000 Kisten Mineralwasser produzierte und für die Dortmunder Kronen-Brauerei 1000 Kisten Bier abfüllte. "Die Fabrik zu übernehmen", sagt Hüppe, "erschien mir nicht als zielführende Idee."
Er studierte Wirtschaftswissenschaften, brach nach drei Semestern ab, weil die Theorien ihm wenig veränderbar erschienen. Es folgten die Sozialwissenschaften mit Diplom. Schon während dieser Zeit beschäftigte sich Hüppe mit präventiven Gesundheitsprojekten. Nach drei Jahren als Berufsschullehrer ging´s noch mal an die Uni. Als Medizinstudent entdeckte Hüppe, wie er seinen schon während der Pfadfinderzeit entwickelten theoretisch-philosophischen Anspruch, der Gesellschaft etwas zu geben, mit Leben füllen konnte. Dieser Anspruch, so Hüppe, sei keineswegs so selbstlos, wie es klinge. "Man tut zwar etwas für andere, aber doch nicht jenseits des eigenen Vorteils. Man selbst zieht sozialen Nutzen daraus, etwa soziale Anerkennung."
Fragen auf den Grund zu gehen, ist eigentlich Sache eines Wissenschaftlers. Diese Profession strebte Hüppe zunächst auch an, ließ sich dann jedoch (zum Erstaunen eines werbenden Headhunters) als Kassenarzt nieder. Hüppe, der auch Leiter des weltweit größten Versorgungsforschungsprojektes zur chronischen Hepatitis C ist, ist mit Herzblut dabei. Denn Versorgungsforschung mache in einer ambulanten Praxis einfach Sinn. "Hier habe ich Dauerbezug zu den Patienten und kann lange Zeit nachverfolgen, was bei einer Therapie herauskommt: ob diejenigen länger leben und es ihnen besser geht, die systematisch behandelt wurden."