Herne. . Überlebende des Zweiten Weltkrieges waren in der Realschule Crange zu Gast. Rund 70 Zehntklässler erfuhren von ihren Lebensumständen und Schicksalen.

Die aktuelle Schülergeneration wird die letzte sein, die die Erfahrungen der Menschen aus dem Zweiten Weltkrieg unmittelbar von diesen erfahren wird. Einige der noch lebenden Zeitzeugen waren am Dienstag in der Realschule Crange zu Gast, um von ihren Kriegserlebnissen zu berichten. Seit 2008 organisiert Hobbyhistoriker Horst Spieckermann diese besonderen Zusammentreffen zwischen Schülern und Zeitzeugen rund vier Mal jährlich an Herner Schulen. „Lehrer können nur das vermitteln, was in Geschichtsbüchern steht. Wir aber haben die Geschehnisse alle erlebt“, weiß auch Zeitzeuge Rudi Klix.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der einzelnen Senioren verteilen sie sich an Tische, die in der Aula der Realschule aufgestellt sind. Kleine Schülergruppen versammeln sich um sie herum. Aufmerksam hören die insgesamt rund 70 Zehntklässler den Erzählungen der einzelnen Zeitzeugen zu. Einige sind mit Fragen an sie noch eher zurückhaltend, andere haben einige parat: „Wusste die Bevölkerung denn gar nicht, dass Konzen­trationslager existierten?“ oder „Wie waren die Lebensumstände nach dem Krieg?“, wollen sie wissen.

Kinder haben in Trümmern gespielt

Die Stimmung an den Tischen ist dabei nicht immer ernst. Die Schülergruppen, die sich etwa um Helga Rettler versammeln, haben sogar regelmäßig etwas zu lachen. Etwa dann, wenn ihnen die 80-Jährige davon erzählt, wie stolz sie gewesen sei, als sie während eines Aufenthalts in einem Bunker plötzlich Läuse bekommen habe. Es geht aber auch ernster zu, etwa wenn sie von dem schrecklichen Hunger berichtet, den sie mit ihren fünf Geschwistern erlebte. Als sie eine Geschichte erzählt, wie sie gemeinsam mit ihrem Bruder eine eigentlich defekte Uhr gegen Mehl und Speck eintauschte, lachen die Schüler gleich wieder ob der kleinen Schummelei des damaligen Mädchens. Helga Rettler zeigt den Zehntklässlern auch Dokumente wie Fotos oder Briefe. Ein Foto zeigt sie als Schülerin inmitten ihrer Klassenkameraden. „Euch fällt sicher auf, dass ich die Einzige mit schwarzen Haaren bin“, sagt sie zu den Schülern. Diese seien der Grund gewesen, dass sie in der Schule als „Judenmädchen“ bezeichnet wurde. Wenn sie daran denke, leide sie noch heute unter den Hänseleien.

Auch Rolf Hinz zeigt den Schülern Fotos. Darunter ist eines, das mit „Der Spielplatz meines Bruders“ beschriftet ist. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1945. „Die Kinder haben damals in Trümmern gespielt“, berichtet Hinz seinen jungen Zuhörern. „Ihr könnt nur froh sein, dass ihr so etwas nicht erleben musstet“, sagt er.

Immer wieder spannen Schüler und Zeitzeugen den Bogen zur heutigen Flüchtlingslage. Für Erich Zdebel, der damals selbst aus Breslau nach Deutschland floh, steht fest: „Ich habe großes Verständnis für diejenigen, die vor Krieg fliehen.“