Herne.. Der Brandschutz in Herner Kirchen weist offenbar Lücken auf. Das liegt an der Sonderstellung, die sie genießen. Ein Baurechtsexperte sieht Gefahren.


Der Flughafenbrand in Düsseldorf war ein dramatisches Ereignis. 17 Menschen fanden 1996 den Tod, 88 wurden verletzt. Die Katastrophe bildete einen Wendepunkt. Seitdem hat der Gesetzgeber die Anforderungen an den Brandschutz erheblich ausgeweitet.

Die Auswirkungen zeigen sich auch in Herne. Unternehmen mussten hohe Summen investieren, um die Auflagen zu erfüllen, manche Gebäude wurden zeitweise geschlossen - wie die Aula der Erich-Fried-Gesamtschule. Auch das Spielezentrum an der Jean-Vogel-Straße ist betroffen. Eine Institution blieb jedoch von den Verschärfungen weitgehend unangetastet: die Kirchen.

Heinrich Beestermöller, Herner Anwalt mit dem Schwerpunkt Bau- und Architekturrecht, hält dies für falsch und sieht eine potenzielle Gefahr für Leib und Leben. Gerade bei vollen Kirchen zu Ostern und Weihnachten.

Für die Sonderstellung gibt es zwei Grundlagen. So zählen die katholische und evangelische Kirche laut Landesbauordnung zu den öffentlichen Bauherren. In Absatz 5 des Paragraphen 80 heißt es: „Der öffentliche Bauherr trägt die Verantwortung, dass Entwurf und Ausführung der baulichen Anlagen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen.“ Das NRW-Bauministerium erklärt dazu auf Anfrage der WAZ: „Für Gebäude mit größerem Gefahrenpotenzial schreibt das Bauministerium in der Prüfverordnung wiederkehrende Prüfungen durch die Bauaufsichtsbehörde vor, Kirchen zählen nicht zu diesen Gebäuden.“ Die Stadt Herne bestätigt, dass sie in Kirchen keine Brandschau vornimmt.

Auch bei der Versammlungsstättenverordnung genießen Kirchen eine Sonderstellung. Sie sind von der Sonderbauverordnung ausgenommen. „Dies gilt aber nur, soweit in den Kirchen liturgische Veranstaltungen wie Gottesdienste stattfinden. Werden Kirchen zu anderen liturgischen Veranstaltungen genutzt, zum Beispiel für Konzerte, bei denen Eintritt erhoben wird und fasst die Kirche mehr als 200 Besucher, sind auch die Vorschriften der Sonderbauverordnung zu beachten“, so das Ministerium.

Das Erzbistum Paderborn erklärt auf Anfrage, dass man das Thema Brandschutz im Blick habe, alle drei Jahre begehe ein beauftragte Firma aus Witten die Gebäude. Darüber hinaus gebe es jährliche Rundschreiben an die Gemeinden zu dem Thema. Im Pfarrbrief würde zum Beispiel auf den zweiten Rettungsweg in der Kirche hingewiesen. Die grünen Schilder mit dem Hinweise auf den Notausgang gebe es allerdings nicht. Aus optischen Gründen.

Brief an Alexander Vogt

Für Anwalt Heinrich Beestermöller ist dies nicht nachvollziehbar. Gerade in der St. Bonifatiusgemeinde in Herne-Mitte sieht er schwere Versäumnisse. Er habe nach einem Gottesdienst selbst die Probe gemacht - und feststellen müssen, dass die Tür zum zweiten Rettungsweg verschlossen gewesen sei.

Auch im Gemeindehaus, das mit der Kirche einen Gebäudekomplex bildet, sieht er mehrere Details, die nicht den aktuellen Brandschutzverordnungen entsprechen - obwohl das Gemeindehaus frisch renoviert sei. Nach seinen Erkenntnissen führt die Stadt im Gemeindehaus mit Hinweis auf die Sonderrolle der Kirchen keine Begehungen durch. Aus Beestermöllers Sicht ein Versäumnis, da das Gemeindehaus nicht für Gottesdienste genutzt wird.

Der Experte geht davon aus, dass kaum eine Kirche über eine Grundausstattung in Sachen Brandschutz verfügt, zum Beispiel die grünen Pikogramme oder eine Notbeleuchtung.

Beestermöller hat inzwischen den Herner SPD-Landtagsabgeordneten Alexander Vogt angeschrieben. Seine Frage: „Wenn doch gleiche Bedingungen einer Versammlungsstätte herrschen, müssten Menschen doch gleich gut vor Brand, Panik und Rauch geschützt werden. Dann kann es doch nicht darauf ankommen, ob man nun im Kino oder in einer Kirche sitzt. Wer in der Landesregierung wird weiter bereit sein, die Verantwortung für die Folgen dieser unverständlichen Unterscheidung zu übernehmen?“