Herne. . Prominente Gastrednerin beim Geburtstagsempfang zum 30. im Herner Ratssaal. Pointierter Vortrag räumt mit Mythen auf und benennt Baustellen.

Kaum ein Stuhl im Ratssaal, der gestern morgen nicht von einer Frau besetzt gewesen wäre - eine Quote, die an diesem Ort normalerweise nicht annähernd erreicht wird. Eingeladen hatte die Gleichstellungsstelle, die mit dem Empfang ihren 30. Geburtstag feierte.

In ihrer Begrüßung erinnerte die Gleichstellungsbeauftragte Sabine Schirmer-Klug an die Reaktorkatastrophe von Fukushima, die sich am Tag der 25-Jahr-Feier vor fünf Jahren ereignet hatte. Wie dieser Tag einen Wertewandel eingeleitet und dem Glauben an die unendlichen Möglichkeiten der Technik ein Ende gesetzt habe, hätten die Gleichstellungsstellen patriarchale Normen hinterfragt. „Achtsamkeit, Respekt, Ressourcenorientierung und Partnerschaftlichkeit gewinnen an Bedeutung in Deutschland“, so Sabine Schirmer.

Oberbürgermeister Frank Dudda griff den Gedanken auf. Diese Werte müssten heute wieder geschützt werden, bedauerte er. Sowohl am rechten Rand wie „im Kontext der Zuwanderung“ würden Frauenrechte in Frage gestellt. Der OB würdigte die Verdienste der Gleichstellungsstelle in der Vergangenheit und rief dazu auf, den Herausforderungen der Zukunft „mit Blick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Geschlechter“ zu begegnen.

Einen Volltreffer landeten die Gastgeberinnen mit der Gastrednerin: Anke Domscheit-Berg machte in ihrem pointierten Vortrag „Ein bisschen gleich ist nicht genug“ deutlich, „warum wir von Geschlechtergerechtigkeit noch weit entfernt sind“, angelehnt an die Thesen ihres gleichnamigen Buches. Die Autorin, Ex-Landesvorsitzende der Piraten in Brandenburg und ehemalige IT-Beraterin, unterstützt heute Firmen bei der Steigerung des Frauenanteils.

Nach allerlei bekannten und unbekannten Zahlen zum Frauenanteil in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen - 14% bei den Bundesverdienstpreisen, 11% TV-Minuten unter weiblicher Regie - räumte sie auf mit Mythen wie „Frauen studieren das Falsche“ oder „Frauen fehlt die Führungsstärke“, um zum Schluss die Baustellen aufzuzeigen, auf denen noch jede Menge Arbeit wartet: in der Politik wie in Unternehmen, im Umgang mit Sexismus und bei der Wahl des Partners, mit dem idealerweise jede Belastung zu teilen sei. Guter Rat zum Schluss ihrer erfrischenden Ausführungen: „Legen Sie sich eine Schicht Teflon zu.“ Wer Kritik nicht auf sich persönlich beziehe, könne ein Feedback auch mal abperlen lassen.