Herne. . Graf’s Reisen führt in dieser Woche ein Sicherheitstraining mit seinen Fahrern durch. So lernen diese, wie sich die Busse in Notsituationen verhalten.

Wer sich noch an die Fernsehsendung „Der 7. Sinn“ erinnert, kennt diese Bilder: Eine Auto fährt mit reichlich Tempo auf die Kamera zu, vollführt eine Vollbremsung und kommt ein paar Zentimeter vor einem rot-weißen Pylon zu Stehen. Die Lektion Vollbremsung stand auch in den vergangenen Tagen auf dem Plan des Sicherheitstrainings auf der ADAC-Anlage in Recklinghausen – allerdings in der XXL-Version. Der Grund: Das Wanne-Eickeler Unternehmen Graf’s Reisen führt in dieser Woche mit mehr als 60 seiner etwa 170 Fahrer ein Training durch – doch die saßen am Steuer von Linienbus bis hin zum Doppelstöcker.

Der Hintergrund: Die Fahrer müssen – laut Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz – alle fünf Jahre fünf verschiedene Fortbildungen absolvieren, um ihren Führerschein zu behalten. Dazu gehört die Fahrsicherheit. Nach den Buchstaben des Gesetzes würde eine theoretische Fortbildung reichen, doch damit begnügt man sich bei Graf’s nicht. „In der Praxis bleibt einfach mehr hängen“, sagt Michael Thüring. Schon seit 1997 führt das Unternehmen diese Sicherheitstrainings mindestens jedes zweite Jahr durch.

Die Fahrer bekommen einen Tag lang die Gelegenheit, das Verhalten der Busse in Situationen zu testen und kennenzulernen, die man im realen Straßenalltag unbedingt vermeiden will: bei hoher Geschwindigkeit bremsen – und das bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen wie Regen und Schnee – oder das Ausweichen. Busse sind inzwischen mit viele Sicherheitstechnik ausgerüstet, zum Beispiel einer Abstandsautomatik, „doch wir müssen ja immer mit der Dummheit der anderen Verkehrsteilnehmer rechnen“, sagt Fahrer Jörg Kohn, der im Reisebus durch ganz Europa fährt und mit seinen 52 Jahren einige hunderttausend Kilometer Erfahrung hat und reichlich brenzlige Situation selbst miterlebt hat.

Für den 23-jährigen Alexander Golenia bringt dieses Training eine neue Erfahrung. Er ist bislang nur Linienbusse gefahren. Nun lernt er Reisebusse und deren Bremsweg kennen – bei 30, 40 und 50 Stundenkilometern. Erste Erkenntnis: Beim kräftigen Tritt auf die Bremse kommt der Bus rasch zum Stillstand; zweite Erkenntnis: Der Bremsweg unterscheidet sich kaum von dem eines Pkw. Die dritte Erkenntnis ist besonders wichtig für die Fahrgäste. Sie sollten die Sicherheitsgurte unbedingt anlegen. Schon eine Bremsung bei Tempo 30 lässt Menschen und Gegenstände durch den Bus fliegen. Auch bei Graf hat man Erfahrungen damit, von größeren Unglücken ist das Unternehmen bislang verschont geblieben.

Für Alexander Golenia war die Vollbremsung mit dem Reisebus eine „super Erfahrung. Das ist etwas völlig anderes als mit einem Linienbus.“ Doch Thüring hat mit dem Training die „alten Hasen“ im Blick, die seit Jahrzehnten fahren. Einerseits können sie Dinge ausprobieren, die im Alltag unmöglich sind, weil teilweise über hundert Menschen in den Bussen sind, andererseits gehe auch ein wenig darum, ihnen zu zeigen, dass sie auch nach einer so langen Zeit hinter dem Steuer noch etwas lernen können.

Laut Thüring investiert das Unternehmen rund 20 000 Euro in diese Woche. Doch dies sei letzten Endes eine Investition in die Sicherheit der Fahrgäste.