Herne. . Gläubige, Stadtverwaltung und Schüler werfen ein Licht auf das Leben HernerBürger und deren Vernichtung. Veranstaltung am Holocaust-Gedenktag.

Ein blondes Mädchen strahlt von der Leinwand das Publikum im Herner Kulturzentrum an. Es ist die dreijährige Hanneke mit ihren Eltern Gerda und Fritz Günzburger im Jahr 1945. Das Kind und ihre in Herne geborenen Eltern haben den Krieg nach ihrer Flucht in Amsterdam überlebt. Noch bewegender ist jedoch für die weit über 100 Zuhörer: Sie haben den Holocaust überlebt, als Juden und Kommunisten.

Schüler der Geschichts-Leistungskurse des Haranni- und des Pestalozzi-Gymnasiums trugen am Beispiel der Familie Elias/Günzburger aus Herne eindrucksvoll und ergreifend vor, wie es der jüdischen Bevölkerung nach 1933 erging, als der Nationalsozialismus wütete.

Ceren Öztürk (18) las aus dem Tagebuch von Gerda Elias, die Fritz Günzburger heiratete und Hanneke zu Welt brachte. Das Mädchen, inzwischen 74 Jahre alt, saß auf der Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag im Publikum. Ceren Öztürks Mitschüler Alexander Block (17), Jasmin Nielinger (19) und Florian Erk (18) hatten historische Daten und Geschehnisse aufbereitet und schilderten anschaulich, welch grausames Schicksal die jüdische Bevölkerung in Deutschland und Europa erleiden musste. 50 Verwandte von Hanneke, die heute Schmitz heißt, wurden in verschiedenen Konzentrations- und Vernichtungslagern umgebracht.

Ausschließlich für den 27. Januar wurde das Shoah-Denkmal auf dem Berliner Platz freigegeben. Was zeigt, welche Bedeutung die Aufarbeitung der Verbrechen im Nationalsozialismus heute immer noch besitzt. Das Shoah-Mahnmal muss als Erinnerung an den Holocaust noch immer vor Angriffen geschützt werden, darauf wies auch Oberbürgermeister Frank Dudda in seiner Rede hin.

Vernichtungslager Auschwitz

Dudda machte deutlich, dass es wichtig sei, die Erinnerung an das Vernichtungslager Auschwitz, das symbolisch für die Shoah stehe, als Ort des Schreckens zu erhalten, da es bald keine Menschen mehr geben werde, die aus eigener Erfahrung davon berichten können. Niemand solle es wagen, die Existenz der Vernichtungslager zu bestreiten und niemand solle leugnen, dass der Völkermord an den Juden stattgefunden habe.

Mit einer Schweigeminute endete die Veranstaltung am Shoah-Denkmal, die 71 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz noch immer politische Brisanz barg. So machte Superintendent Reiner Rimkus vom Evangelischen Kirchenkreis, der neben Aaron Naor von der Jüdischen Gemeinde und Dechant Christian Gröne sprach und betete, deutlich: „Auch wenn wir es nicht wollen, wir sind die Erben unermesslicher Verbrechen.“

Aktueller Bezug

Aktuellen Bezug stellt auch Alexander Block von der Geschichtsgruppe her, die sich mit der Biografie von Gerda Günzburger beschäftigt hatte. „Man bekommt angesichts dieser Flucht Herner Juden nach Holland viel mehr Verständnis und Respekt für heutige Flüchtlinge und die Gefahren, die sie zu bestehen haben.“

Zuerst integriert und später aufgrund politischer Wirrungen herausgerissen aus der Heimat: Nichts machte das deutlicher als ein Klassenfoto mit Gerd Günzburger, der Mutter von Hanneke, vor dem Portal des Lyzeums, wie es damals hieß. Heute ist diese Schule das Haranni-Gymnasium.

Geschichtslehrerin Elisabeth Staske und Stadthistoriker Ralf Piorr nahmen die Schüler bei ihrer Reise in ein dunkles Kapitel der Geschichte an die Hand. Denn heute ist vom ehemaligen jüdischen Leben in der Stadt nur wenig zu sehen, in der Regel nur noch in Form von Erinnerungstafeln. Außer dem Shoah-Denkmal auf dem Berliner Platz findet man beispielsweise Tafeln an den Standorten der beiden Synagogen der Stadt an der Ecke Schaeferstraße/Hermann-Löns-Straße in Herne und an der Langekampstraße in Wanne. Beide Synagogen brannten beim Novemberpogrom 1938 ab.

Aufgrund der systematischen Vernichtung der Juden waren sie nach dem Zweiten Weltkrieg in Herne und Wanne-Eickel so gut wie ausgelöscht. Heute gibt es zwar eine Jüdische Gemeinde Bochum/Herne/Hattingen mit insgesamt 1200 Mitgliedern, nur etwa 200 davon wohnen in Herne. 98 Prozent wiederum haben ihre Wurzeln in Osteuropa. Eine Synagoge gibt es nicht, lediglich ein Gemeindebüro.