Herne. . Nach über 40 Dienstjahren verabschiedet sich Axel Pütter aus dem Polizeidienst. Der Herner war Leiter einer Mordkommission und der Pressestelle.
Der Abschied rückt mit großen Schritten näher: Am 29. Februar geht Axel Pütter, Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums und ehemaliger Mordermittler, in den Ruhestand - nach mehr als 40 Jahren. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann blickt der 61-Jährige gebürtige Herner zurück – und ein wenig nach vorn.
Mit welchen Gefühlen verlassen Sie nach so einer langen Zeit Ihren Schreibtisch?
Pütter: Es ist schon komisch. Polizist war ja der Beruf, den ich immer machen wollte. Das liegt in der Familie. Mein Vater war bei der Polizei, mein Sohn ist auch einer geworden. Für mich gab es mit 17 nur die eine Berufswahl, zum Glück bin ich genommen worden.
Sie sind 1971 in den Polizeidienst eingetreten. Welchen Einfluss hat dieser Beruf auf einen Menschen?
Er prägt einen sehr stark. Mein Blick auf meine Umwelt ist immer auch der eines Polizisten. Wenn ich sehe, dass sich jemand verdächtig verhält oder jemand Schlangenlinie fährt, rufe ich die Kollegen an. Das ist ja auch die Botschaft an die Menschen: Lieber einmal mehr die 110 anrufen als einmal zu wenig. Und dieser Blick bleibt erhalten, auch im Ruhestand.
Eine Station während Ihrer Laufbahn dürfte Sie ebenfalls stark beeinflusst haben. Sie waren lange bei der Mordkommission. . .
. . .das stimmt, dieses Sachgebiet hat mich auch sehr geprägt, weil ich hautnah Tragödien erlebt habe.
Wie haben Sie das verarbeitet?
Ich habe häufig versucht, die Dinge allein zu verarbeiten. Ich habe die Geschehnisse versucht zu verdrängen, indem ich mich auf die Sache konzentriert habe. Wichtig für mich waren auch die Gespräche im Kollegenkreis. Da wurde viel gelacht, was geholfen hat, die Gedanken frei zu bekommen.
Kann man bei besonderen Fällen eigentlich an der eigenen Haustür abschalten?
Nein, manche Fälle haben mich auch nachts nicht losgelassen, dann habe ich aufgeschrieben, was alles noch zu tun ist. Aber ich habe meine Arbeit immer von meiner Familie ferngehalten, auch wenn man mir angemerkt hat, dass ich etwas Schlimmes erlebt habe. Allerdings kann ich sagen, dass es immer Spaß gemacht hat, in einer Kommission in einem Team zu arbeiten.
Gibt es Fälle, die Sie besonders berührt haben?
Ja, zwei, einer davon in Herne. Das war die Tötung einer 90-jährigen Frau an der Altenhöfener Straße. Der war ja lange ungeklärt, bis sich vor wenigen Jahren ein Beteiligter offenbart hat, weil er mit der Tat nicht zurechtgekommen ist. Das zeigt, dass wir bei der Polizei viel Geduld haben müssen, bis uns vielleicht Kommissar Zufall zu Hilfe kommt oder ein anderer Umstand zum Mörder führt. Wenn ein Täter am Ende doch noch gefasst wird, ist das für mich eine große Genugtuung, dass doch noch Gerechtigkeit erfolgen konnte.
Und der andere Fall?
Das war ein Mord, der sich 1996 in Bochum ereignet hat, der ist nach wie vor nicht aufgeklärt. Wir haben alles versucht, wir haben Fahndungsaufrufe gemacht, ich war bei XY Ungelöst. Bisher vergeblich. Mit der Witwe des Opfers habe ich nach wie vor Kontakt.
Das scheint ungewöhnlich.
Ja, aber wir haben so viele Stunden in Absprachen und in Vernehmungen verbracht, da lernt man sich auch persönlich kennen. Dieser Fall war sehr emotional, da kann man nicht einfach die Akte zu machen. Ich habe den Fall an eine Kollegin weitergegeben und bin mir sicher, dass er dort in guten Händen ist.
Sie waren so lange bei der Mordkommission, warum sind Sie 2009 zur Pressestelle gewechselt, das ist ja ein ziemlicher Bruch?
Ich habe gemerkt, dass ich nach einem Einsatz eine viel längere Regenerationszeit benötigte, ich konnte die Arbeit körperlich nicht mehr so einfach wegstecken. Ich stand vor der Frage, wie lange ich mir den Stress antun kann. Der Wechsel zur Pressestelle war eine große Chance, und ich habe nichts bereut. Die Aufgabe war eine tolle Erfahrung.
Sie haben ja bereits ein Buch mit Mordfällen veröffentlicht. Werden Sie auch im Ruhestand schreiben?
Das ist eine sehr aktuelle Frage (lächelt). Ein Kollege und ich suchen gerade einen Verlag. Der Kollege hat auf der Grundlage eines wahren Falls einen Roman geschrieben, total spannend. Ich bin Ko-Autor.
Wollen Sie denn nicht selbst mal einen Krimi schreiben? Mit Ihrer Erfahrung?
Ich bin hin und hergerissen und schließe das nicht aus. Aber man muss ja auch die Zeit haben. Ich habe ja noch einiges vor, ich werde nicht in ein tiefes Loch fallen.
Bleiben wir bei der Fiktion. Diese Frage ist unvermeidlich bei einem Polizisten: Schauen Sie Krimis im Fernsehen?
Den Münster-Tatort schaue ich gerne, der ist manchmal köstlich. Die Schauspieler sind sehr gut. Allerdings haben viele Dinge nichts mit der Realität des polizeilichen Alltags zu tun. Ich nerve dann meine Frau, wenn ich sage, dass dies und das überhaupt nicht geht. Allerdings schaue ich gerne dokumentarische Sachen wie „Autopsy“. Da kann ich schauen, wie die Kollegen die Fälle gelöst haben.