Herne. . Vor etwas mehr als einem Jahr ist Kaufland in Wanne eröffnet worden. Die Hoffnungen, die damit verbunden waren, haben sich bislang nicht erfüllt.
Vor etwas mehr als einem Jahr ist Kaufland am Glückauf-Platz eröffnet worden. Die Hoffnung, die sich mit der Ansiedlung verband, war eine Befruchtung der Wanner Innenstadt. Doch die Bilanz nach einem Jahr ist: ernüchternd - mit einer Tendenz zu beunruhigend.
Die Beobachtung beginnt am Glückauf-Platz: Der ist zwar durch den Neubau von Kaufland aufgewertet worden - weil es schlechter nicht werden konnte mit dem alten Parkhaus -, doch die Immobilie gegenüber an der Berliner Straße 1 hat nach wie vor den Charakter einer Schrottimmobilie. Die neue Verwalterin, die Grand City Ltd. in Berlin, hatte Anfang des Jahres mitgeeilt, dass man das Gebäude verbessern wolle, um den Leerstand zu reduzieren. Geschehen ist genau: nichts. In unmittelbarer Nähe zu Kaufland hat sich ein Reisebüro angesiedelt und ein Imbiss. Geht man weiter Richtung Norden, so fallen die Investitionen am Gebäude der Ruhr-Apotheke und bei der Bäckerei Gatenbröcker auf. Doch von Impulsen kann sonst keine Rede sein, im Gegenteil: Die Zahl der Leerstände hat sich weiter erhöht.
Kein Engagement der Filialisten
Jens Rohlfing, Vorstand der Werbegemeinschaft Wanne-Mitte, sieht keinen positiven Effekt durch Kaufland. Die Fußgängerzone sei dadurch verlängert worden, mit der Konsequenz, dass jenseits der Christuskirche die Kundenfrequenz deutlich sinke. Es gebe einige private Geschäftsleute, die kaum noch über die Runden kommen, die nächsten Geschäftsaufgaben seien vorprogrammiert. Die Filialisten dagegen würden sich in keiner Form engagieren.
Auch Timo Lichte, Inhaber des Fischrestaurants am Buschmannshof, sieht keine Impulse: „Die Hoffnung auf mehr Frequenz hat sich nicht erfüllt“. Allein der Mittwochsmarkt sei ein Lichtblick, allerdings weist Lichte auf ein Vandalismus-Problem hin.
Robert Sibbel, Inhaber der Ruhr- und der Paracelsus-Apotheken, weist auf das Drogenproblem hin. Seit die Schutzhütte im Postpark abgebrannt ist, hat sich die Szene offenbar an den Buschmannshof verlagert. Allein in einer Apotheke verkaufe er rund 50 Spritzen pro Tag, so Sibbel. Er weist auf die Tatsache hin, dass es in unmittelbarer Nähe zwei Schulen und ein Kinderarztzentrum gibt. Es dürfe nicht mehr weggeschaut werden, man müsse alle Beteiligten an einen Tisch holen. Er selbst sei bereit, nach Lösungen zu suchen.
Jens Rohlfing drückt es drastischer aus: „Die Zustände sind unhaltbar.“ Es könne nicht sein, dass die Stadt dieser Szene toleriere und man die Händlerschaft mit dem Problem allein lasse. Die Stadt müsse aufräumen. Er selbst denke darüber nach, mit seinem Weinhaus die Innenstadt zu verlassen. Die Fußgängerzone sei eher geschäftsschädigend als fördernd.
Die Stadt selbst verneint auf WAZ-Anfrage, dass es eine offene Drogenszene in Wanne gebe. Für die Trinkerszene werde im Januar eine neue Schutzhütte im Postpark errichtet. Mit der Hoffnung auf eine Rückverlagerung der Szene.
Folgen sind noch nicht abzuschätzen: So sieht die Stadt die Situation
Die Situation der „Wanner Innenstadt“ ist bezüglich des Geschäftsbesatzes und dessen Entwicklung insbesondere im nördlichen Bereich seit vielen Jahren als schwierig anzusehen und hat zu verschiedenen Anstrengungen der Stadt Herne geführt. Unter diesen ist die Ansiedlung des Kaufland-Verbrauchermarktes in Wanne-Mitte Baustein einer größer angelegten Stabilisierungs- und Aufwertungsstrategie. Eine besondere Rolle darin spielt das Stadtumbauprojekt „Jetzt Wanne!“, in dessen Rahmen zwischen 2007 und 2014 aus Mitteln der Städtebauförderung 9 Mio. € investiert wurden. Damit wurden insbesondere die umfassende Neugestaltung des Buschmannshofs, die Neugestaltung des Post- und Rathausparks, sowie der Umbau der Gerichts- und der Wanner Straße realisiert. Auf dem Buschmannshof konnte inzwischen ein Wochenmarkt und zuletzt auch ein sogenannter Feierabendmarkt etabliert werden.
Die Folgewirkungen derartiger Interventionen setzen üblicherweise nach und nach ein und sind nach ein (Kaufland) bis zwei (Buschmannshof) Jahren nur ansatzweise abzuschätzen. Bisher kann gesagt werden, dass der neue Verbrauchermarkt gut angenommen wird und dieser ebenso wie die Umgestaltung der öffentlichen Plätze das Erscheinungsbild und das Image des Wanner Zentrums deutlich aufgewertet hat. Erhebliche Auswirkungen auf den umliegenden Geschäftsbesatz können bisher weder im Guten noch im Schlechten konstatiert werden. Es gibt jedoch einige Anzeichen, dass die angestrebte Stabilisierung greift. Dafür sprechen Investitionen z.B. der Vivawest in ihren Gebäudebestand oder die Ansiedlung der Rheumaklinik, aber auch die durch die Einbindung der Bevölkerung, der Immobilieneigentümer und der Geschäftstreibenden in die Stadterneuerungsmaßnahmen entstandene Akzeptanz und bessere Vernetzung und Gewinnung von Akteuren in Wanne-Mitte.