Herne. . Erfolgsautor Ralf Rothmann las am Dienstagabend in der Alten Druckerei aus seinem aktuellen Roman „Im Frühling sterben“.
Das Feuilleton hat Ralf Rothmanns neuen Roman „Im Frühling sterben“ mit großer Begeisterung aufgenommen. Und Gastgeberin Elisabeth Röttsches stimmt am Dienstagabend in ihrer Begrüßung zur Lesung des 62-Jährigen in der Alten Druckerei regelrechte Lobeshymnen auf das Buch an. Trotzdem gelingt Rothmann das Kunststück, mit seinem ersten Satz im Publikum ein leises Murren und sogar ein (gespielt) empörtes „Buh“ auszulösen.
„Ich bin zwar im Ruhrgebiet aufgewachsen, war aber in meinem Leben noch nie in Herne“, bekennt der Autor lächelnd. Seine „Trampelpfade“ hätten eher in Städten wie Oberhausen und Essen gelegen.
„,Im Frühling sterben’ ist ein Roman über meinen Vater“, sagt Ralf Rothmann. Dieser sei kurz vor Kriegsende als 17-Jähriger zwangsrekrutiert und anschließend an Körper und Seele verwundet worden. „Danach ist er noch mal verpulvert worden: als Bergmann auf der Zeche Haniel.“ Das Leben seines Vaters habe etwas Zerstörerisches gehabt: mit 55 kaputt gearbeitet, mit 60 Alkoholiker, mit 61 tot.
Das zentrale Motiv des Romans – ein 17-jähriger Soldat muss an der Hinrichtung seines besten Freundes teilnehmen, der kurz vor Kriegsende desertieren wollte – sei jedoch nicht seinem Vater widerfahren, sondern einem früheren Vermieter, erzählt Ralf Rothmann.
Vier längere Passagen liest er aus dem Roman. Passagen, die den Wahnsinn der letzten Kriegsmonate anhand der Tragödie um die befreundeten Melker Fietje und Walter spürbar machen. Doch auch die Sprach-losigkeit der (Kriegs-)Generation spricht aus Rothmanns Zeilen.
Sonntags am Frühstückstisch
Nach der intensiven Lesung antwortet der Autor auf Fragen aus dem Publikum und gibt tiefe persönliche Einblicke. Er erzählt, wie sein Vater sonntags im weißen Feinripp-Unterhemd am Frühstückstisch gesessen habe und der Krieg immer präsent gewesen sei – durch die seinem Vater (einst von der SS) auf den Arm tätowierte Blutgruppe.
Auch vom Schreibprozess berichtet Ralf Rothmann. „Ich bin ein fauler Mensch. Ich habe in Maßen recherchiert“, kokettiert er. Die wichtigsten Daten habe er erforscht, mit Onkeln und Nachbarn gesprochen. Er glaube an die Kraft der Imagination: „Deshalb bin ich Schriftsteller geworden.“
Den Roman habe er mit Liebe geschrieben: „Mit Liebe zu meinem Vater.“ Und: Er habe das Vakuum füllen wollen, dass sein Vater ihm hinterlassen habe.
Beim Lesen seien ihr an einigen Stellen die Tränen in die Augen geschossen, sagt eine Besucherin. Die Arbeit an „Im Frühling sterben“ habe ihn ebenfalls bewegt, sagt Ralf Rothmann. „Ich musste an einigen Stellen den Bleistift weglegen.“
Zur Person
Ralf Rothmann ist 1953 in Schleswig geboren und im Ruhrgebiet aufgewachsen. Seit 1976 lebt er in Berlin. Seine häufig autobiographisch gefärbten Romane sind mehrfach ausgezeichnet worden. Den deutschen Buchpreis 2015 wird er nicht erhalten - Rothmann verzichtete auf eine Nominierung.
In der Alten Druckerei berichtete er, dass er die Arbeit an „Im Frühling sterben“ fast eingestellt habe. Er habe die Hinrichtungs-Szene einfach nicht zu Papier bringen können. Dann seien er und seine Frau in Berlin auf der Straße Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls geworden („wir waren einen Lidschlag vom Tod oder Rollstuhl entfernt“). Am Tag danach habe er das Kapitel geschrieben.
Zurzeit wird Rothmanns Roman „Junges Licht“ von Adolf Winkelmann verfilmt. Die Herner Till und Nils Beckmann waren am Drehbuch beteiligt, ihre Schwester Lina Beckmann spielt eine Hauptrolle.