Herne. . Lungenfacharzt Josef Wiemann gibt auf. Er wird seine Tätigkeit als Kassenarzt beenden und die Schlaflabor-Praxis schließen. Grund: Streit mit der KV.
Der Herner Lungenfacharzt Josef Wiemann gibt auf. Er wird zum 30. September seine Tätigkeit als Kassenarzt beenden, Herne verliert damit das einzige ambulante Schlaflabor in der Haranni-Clinic an der Schulstraße. Wiemann zieht zermürbt die Konsequenz aus einem jahrelangen Streit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). „Irgendwann geht es nicht mehr“, sagte er im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. Aber: Die Auseinandersetzung könnte in absehbarer Zeit eine Fortsetzung vor Gericht finden...
Die WAZ hatte in der Vergangenheit mehrfach über den Zwist berichtet. Er begann bereits im Jahr 2010. Damals deckelte die KVWL die Honorare für niedergelassene Schlaflabore, Wiemann hatte Einbußen von etwa 40 Prozent, was er jedoch gerade noch kompensieren konnte.
Doch Wiemann arbeitete nach eigener Aussage mehr als er nach der Deckelung durfte - und legte gegen die Abrechnungspraxis der KVWL jedes Quartal aufs Neue Einspruch ein. Diese Einsprüche blieben jahrelang unbeantwortet. Irgendwann hatte Wiemann genug und wies die KVWL darauf hin, dass er darüber nachdenke, juristische Schritte wegen Untätigkeit einzuleiten. Die KVWL konfrontierte als „Reaktion“ Wiemann mit einer Rückforderung in Höhe von 524 000 Euro wegen eines „auffälligen Leistungsverhaltens“. Die Summe sei sofort zahlbar. Mit anderen Worten: Wiemann rechne zu Unrecht Leistungen ab. Doch trotz dieses hohen Betrags wandte sich die KVWL nicht an die Staatsanwaltschaft, sondern leitete ein Plausibilitätsverfahren ein. Wiemann traf die hohe Rückforderung doppelt: Er absolvierte seine Überstunden nicht nur ohne Honorar, er muss sie sogar selbst bezahlen.
Anfang dieses Jahres eskalierte der Streit, als die KVWL ihre Abschlagszahlungen an das Schlaflabor einstellte - ohne jegliche Ankündigung. Das hatte für den Mediziner dramatische Folgen. Seine Praxis machte jeden Tag rund 1000 Euro Verlust, seinen Mitarbeiterinnen konnte er nur noch unregelmäßig den Lohn auszahlen. Von den einst 23 Mitarbeiterinnen hatte er zu jenem Zeitpunkt schon die meisten entlassen müssen.
Strafanzeige gegen zwei KVWL-Mitarbeiterinnen angekündigt
Zum 30. September hat Wiemann nun auch seinen letzten sieben Mitarbeiterinnen gekündigt. Wiemanns Kassensitz soll zum 1. Oktober an das Medizinische Versorgungszentrum RUHRmed übergehen. Wiemann möchte dann dort als Angestellter arbeiten.
„Ich will nicht mehr, ich werde krank“, zieht der 59-Jährige ein bitteres Fazit. Doch beendet ist die Angelegenheit aus mehreren Gründen noch nicht. So musste Wiemann inzwischen ein geerbtes Haus verkaufen, um Mietschulden zu bezahlen. Der Mietvertrag in der Haranni-Clinic läuft eigentlich bis 2018.
Und: Wiemann geht fest davon aus, dass die KVWL auch nach dem 1. Oktober - wenn er also kein Kassenarzt mehr ist und keine Abrechnungen mehr schickt - weiter Forderungen geltend machen wird. Dagegen werde er sich mit allen Mitteln wehren, kündigt er an. Außerdem sei er fest entschlossen bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen zwei Mitarbeiterinnen der KVWL zu erstatten.
Plausibilitätsprüfung immer noch nicht beendet - keine Chance zur Klage
Die KVWL hatte im Streit mit Josef Wiemann um die Abrechnung von Leistungen ein sogenanntes Plausibilitätsverfahren eingeleitet. Ende 2014 hatte sie auf Anfrage der WAZ darauf hingewiesen, dass sie gesetzlich verpflichtet sei, die Abrechnungen ihrer Mitglieder in Hinblick auf Zeitaufwand zu prüfen. Wenn der Vertragsarzt keinen Nachweis erbringe, wie er die abgerechneten Leistungen plausibel erbracht haben könne, werde seine Abrechnung „implausibel“. Die Kriterien habe Wiemann deutlich überschritten.
Wiemann betont, dass er sämtliche Befunderhebungen eines Quartals sowie das Protokoll der Praxis-„Stechuhr“ der KVWL vorgelegt habe. Doch diese Belege seien nicht zugelassen worden.
Erstaunlich: Das Plausibilitätsverfahren, das bereits 2014 eingeleitet worden war, ist bis heute nicht beendet. Das heißt: Wiemann hat von der KVWL in der ganzen Zeit nicht die Chance bekommen, Rechtsmittel gegen das Ergebnis einzulegen. Nach einem Gespräch mit der KVWL am 8. Mai dieses Jahres kündigte diese an, einen Bescheid zu erlassen, gegen den Wiemann klagen kann. Dieser sei bislang immer noch nicht eingetroffen, so Wiemann.