Herne. WAZ-Leser lernten die Kirmes aus einer anderen Sicht kennen und erfuhren etwa, dass die Stadt 980 000 Euro Standgeld von den Schaustellern kassiert.

Wenn die Kirmes am Vormittag noch nicht geöffnet ist und die Schausteller und Gastronomen noch mitten in ihren Vorbereitungen stecken, ist der Rummel von herumwuselnden Menschen geprägt. Einen Eindruck von dieser Kirmes-Welt erhielten WAZ-Leser, die einen Blick hinter die Kulissen des großen Festes werfen durften. Die sogenannte Kirmesarchitektin Sabine Marek, die jedes Jahr für den Auf- und Abbau verantwortlich ist, begleitete die Gruppe.

Der Backfisch kommt per Rutsche

„Hallo, hier gibt es Backfisch“, tönt es durch einen Lautsprecher des kleinen Leuchtturms, an dem die Gruppe gerade steht. Familie Jipp betreibt den Backfisch-Stand in Form eines Leuchtturmes mit einem besonderen Markenzeichen: Die fertig gebratenen Fische kommen über eine Rutsche in den Verkaufsraum und dort direkt ins Brötchen oder eine kleine Papierschale.

Die Besucher dürfen einen Blick in den Kühlwagen werfen, der hinter dem Stand steht. In einem großen Wasserbecken liegen dort unzählige Seelachse zum auftauen. Die Fischfilets sind Frostware. Je nach Bedarf können diese spontan aufgetaut werden, erklärt Manfred Jipp und holt aus einem Kühlraum gleich eine ganze Kiste mit den tiefgefrorenen Seelachsen heraus. Nachdem die Fische in dem Wasserbad aufgetaut sind, landen sie auf einem Blech, wo sie ihre typische Bierteig-Panade bekommen. Ebenso wie die Soßen stellt Familie Jipp diese selbst her. Von der beliebten Kirmes-Spezialität bekommen die Leser gleich eine Kostprobe.

Direkt gegenüber wartet Daniel Löwenthal auf die Kirmesgäste. Das Familienunternehmen hat in den 1980er-Jahren die erste transportable Wildwasserbahn auf die Reise geschickt und steht heute mit der größten transportablen Wildwasserbahn der Welt regelmäßig auf dem Cranger Kirmesplatz. Insgesamt 1,2 Millionen Liter Wasser fasst die riesige Bahn.

Acht Hochleistungspumpen wälzen hier innerhalb einer Minute 300 000 Liter Wasser um. Täglich verbraucht die Wildwasserbahn Strom für rund 2000 Euro. Familie Löwenthal betreibt Bayerns größten Freizeitpark und den Eifelpark, denn allein von der Wildwasserbahn können Löwenthals nicht leben. „Die Wildwasserbahn ist unsere Wurzel, von der werden wir uns nie trennen, denn wir sind mit ihr groß geworden“, so der Besitzer.

Auch Arno Heitmann kann nicht allein von dem Betrieb seines „Musikexpress“ leben. Heitmann, der das Fahrgeschäft vor zehn Jahren von seinem Vater übernommen hat, verkauft gemeinsam mit seiner Familie im Winter Glühwein auf dem Münsteraner Weihnachtsmarkt. Der 39-Jährige ist Schausteller durch und durch. Nach der Mittleren Reife stieg er in das Unternehmen seines Vaters ein, das er heute mit seiner Frau betreibt.

Schausteller-Präsident Albert Ritter stellt bei einem Besuch in der VIP-Lounge seines Lokals „Zum Ritter“ die Bedeutung der Schausteller heraus und meint: „Wir stärken die lokale Wirtschaft.“ Der Stadt käme die Kirmes nur zugute, denn: Allein 980 000 Euro verlange die Stadt von den vielen Schaustellern als Standgeld.