Herne. . Monika Ganteföhr ist seit 1983 Schiedsfrau in Herne und seit 2012 Vorsitzende des BundesDeutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen.
„Haben Sie Streit?“ lautet der Titel eines Faltblattes des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen. Die Antwort könnte lauten: Dann gehen Sie zu Monika Gante föh r . Die 66-jährige Hernerin ist schließlich die Bundesvorsitzende aller Schiedsleute. Ihr Ehrenamt des Beilegens von Nachbarschafts-Streitigkeiten führt sie aber weiterhin nur in ihrem Viertel aus, rund um die Kaiserstraße, schon seit 1983. Die WAZ wollte wissen, ob es besonders im Sommer viel Ärger unter Nachbarn gibt, wo Gartenpartys und Grillabende Hochsaison haben.
Frau Ganteföhr, haben sie diesen Sommer viel zu tun?
Monika Ganteföhr: Wir haben Glück in diesem Jahr. Zuerst war es zu kalt, dann zu heiß. Die Leute feiern nicht draußen und grillen auch nicht so viel wie sonst. Das sind nämlich die Klassiker bei Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Und was noch?
Reibereien beim Heckenschnitt an der Grundstücksgrenze oder bei Bäumen, deren Äste in das Nachbargrundstück wachsen und dort Schatten werfen. Das ist oftmals schwierig zu lösen. Wir haben in Herne ja eine Baumschutzsatzung. Da muss man die Stadt zuerst fragen, ob man überhaupt sägen darf.
Worüber ärgern sich Anwohner noch besonders gerne?
Es gibt zunehmend Auseinandersetzungen wegen Kindern, die Krach machen. Dabei ist Kinderlärm doch Zukunftsmusik.
Was vermuten Sie als Ursache für die Zunahme dieser Konflikte?
Wir leben zunehmend in einer Gesellschaft, in der Kinder nicht mehr so selbstverständlich sind wie früher. Konfliktpotenzial liegt aber auch in den beengten Wohnverhältnissen. Die immer kleiner werdenden Grundstücke und Freiflächen in der Stadt eignen sich nicht zum lauten Spielen. Die Leute, die zu mir kommen, entschuldigen sich mit jedem zweiten Satz, sie hätten grundsätzlich nichts gegen Kinder. Aber sie wollen halt einmal ungestört auf dem Balkon oder der Terrasse Kaffee trinken.
Wie kann man denn von vorne herein vermeiden, dass man bei Ihnen, also bei einer Schlichterin, landet?
Wenn ich irgendwohin ziehe, sollte ich mich vorher erkundigen, wie die Nachbarschaft dort aussieht. Wenn ich dann erfahre, dass sie zerstritten ist, sollte ich es bleiben lassen. Ein Fehler ist es sicherlich auch, als Rentner in eine Neubausiedlung mit jungen Familien und vielen Kindern zu ziehen. Da ist Ärger vorprogrammiert.
Und wenn es dann doch Probleme mit den Nachbarn gibt?
Dann sollte man zuerst einmal eine Nacht darüber schlafen und nicht mit Wut im Bauch hingehen. Besser ist es, erst am nächsten Tag ein vernünftiges Gespräch zu suchen. Man sollte sich aber auf jeden Fall bei Ärger äußern. Nichts zu unternehmen, bedeutet für die Nachbarn oftmals auch, dass man sein stillschweigendes Einverständnis erklärt. Manche Menschen warten fünf oder acht Jahre. Dann ist die Wut so groß, dass es schwierig wird, eine Lösung zu finden. Wenn bei einem Schlichtungstermin dann aber beispielsweise erkannt wird, dass die Nachbarn ja schon über 80 und gar nicht mehr in der Lage sind, die Blätter des anderen zu entfernen, kann man eine Ortsbesichtigung machen und dort einen Kompromiss finden.
Wie sieht denn so eine Kompromiss-Findung konkret aus?
Der Trick ist, dass wir gemeinsam nach einer Lösung suchen und endlich zusammensitzen. Ich kann mehr Verständnis für mein Gegenüber entwickeln, wenn ich zum Beispiel sehe, wie alt und gebrechlich diese Person geworden ist. Beim Laubstreit kann man sich beispielsweise darauf verständigen, dass der Nachbar einmal im Monat in dem anderen Garten fegt. Das ist das schöne an diesem Amt, man kann relativ frei entscheiden, weil man nicht an Gesetze gebunden ist.
Und wenn sich die Nachbarn trotz des Schlichtungsgespräches nicht einigen können?
Auch wenn keine Einigung erzielt wird, es geht niemand so hinaus wie er hineingekommen ist. Er nimmt immer etwas mit.
Und wenn ein Streithahn gleich vor Gericht zieht und nicht zu Ihnen kommt?
Das ist in NRW bei Nachbarschaftstreitigkeiten gar nicht möglich. Die streitenden Parteien brauchen einen schriftlichen Nachweis, dass sie es zuerst mit der Schlichtung versucht haben. Das macht ja auch Sinn, um die Gerichte zu entlasten. Immerhin haben wir eine Erfolgsquote von 55 Prozent.