Ärger über die Politiker, Sorge um die Menschen: Herner Griechen erleben die Eurokrise hautnah. Die Deutschen sollen zu dem Ferienparadies stehen.

Die Regierung um Tsipras und Varoufakis? „Eine Kindergarten-Mannschaft!“ Der Ausstieg aus dem Euro? „Das hat Syriza von Anfang an geplant!“ Dimitriadis Anastasios ist auf die Führung seines Heimatlandes nicht gut zu sprechen. 1979 kam er aus Thessaloniki nach Deutschland, seit fast 35 Jahren betreibt er den „Tassos Grill“ am Eickeler Markt. Anastasios ist in beiden Ländern zuhause, einige Zeit saß er dem inzwischen aufgelösten Griechischen Kulturverein Herne vor. Dass seine Heimat im Chaos versinkt, macht ihm zu schaffen. Er hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Griechenland drin bleibt in der Eurozone. „Ich rechne damit, dass in letzter Sekunde noch etwas passiert. Den Grexit hätten die Menschen dort nicht verdient.“

So wie Anastasios denken viele Herner Griechen – sie empfinden Mitleid für ihre Verwandten, fühlen sich zwischen den Stühlen. Maria Laftsidis-Krüger ist eine, die sich um die Völkerverständigung zwischen Griechen und Deutschen sorgt. Die 51-Jährige aus Wanne-Süd moderiert im Mondradio im Internet eine Sendung über griechische Musik und Kultur, schreibt Bücher und tritt mit griechischen Rezepten in Kochshows auf. „Ich erlebe, dass viele über Jahre gewachsene deutsch-griechische Freundschaften in die Brüche gehen. Das Thema kann doch keiner mehr hören. Man sollte endlich einen Schnitt machen, so oder so.“ Am vergangenen Wochenende war sie Gast der Deutsch-Griechischen Gesellschaft in Lübeck, stellte dort ihr Kurzgeschichtenbuch „Die griechische Seele suchend“ vor. „Da wurde über nichts anderes gesprochen. Mir tun die Menschen in dem Land einfach nur leid.“ Laftsidis-Krüger fordert: „Deutsche Urlauber sollten jetzt erst recht nach Griechenland fahren, um die Leute zu unterstützen.“

Urlaub im Land der Dauerkrise – manche Herner verbinden das Ausspannen tatsächlich mit politischen Zielen. Thomas Reinke etwa, der Oppositions-Kandidat für die Oberbürgermeister-Wahl am 13. September. „Ich fahre in zwei Wochen nach Korfu. Denn wenn alle Touristen sagen, da fahren wir jetzt nicht mehr hin, dann haben die Griechen nichts mehr.“ Er gibt aber zu: „100-prozentig entspannt bin ich nicht. Es ist nicht voraussehbar, was bis dahin passieren wird.“ Andere Herner Urlauber, die in den kommenden Wochen nach Griechenland aufbrechen, sind offenbar nicht verunsichert. Eine Blitz-Umfrage ergab, dass Reisebüros keine Nachfragen nach Umbuchungen oder gar Stornierungen hatten. Allenfalls die Frage, wie sie bezahlen sollen, bewegt einige Touristen. Laftsidis-Krüger kann solche Bedenken nicht verstehen: „Zur Not muss man halt Bargeld mitnehmen“, sagt sie. „Das habe ich vor 20 Jahren auch gemacht, als es noch nicht an jeder Ecke einen Automaten gab.“

Die deutsch-griechische Freundschaft ist zuletzt abgekühlt. Zumindest Laftsidis-Krüger erwartet deshalb, dass sich ihr Land künftig verstärkt Russland zuwendet: „Die beiden Länder haben sich immer gut verstanden.“