Herne. . Die Neue Apotheke in Herne klagt erfolgreich gegen eine Rezeptsammelstelle der Pinguin-Apotheke im Supermarkt. Diese will den Service verändert fortführen.
Apotheker und Arzt verzweifelt gesucht: Händeringend hatten Politik und Stadt im Vorfeld der Eröffnung des Edeka-Marktes in Horsthausen nach Interessenten gesucht, die sich ebenfalls in dem neuen Nahversorgungszentrum niederlassen und damit eine Versorgungslücke im Stadtteil schließen – vergeblich. Die Herner Pinguin-Apotheke hat daraufhin eine Rezeptsammelstelle im Eingangsbereich des Marktes eingerichtet. Die Neue Apotheke klagte dagegen und erhielt nach einer Niederlage am Landgericht Bochum nun am Oberlandesgericht Hamm (OLG) Recht. Die Pinguin-Apotheke führt das Angebot trotzdem weiter – in leicht modifizierter Form.
Man sehe sich damit auf der sicheren Seite, sagte Morten Douglas, der Anwalt der Pinguin-Apotheke, zur WAZ. Denn: Das OLG habe in seinem rechtskräftige Urteil nur untersagt, dass Kunden die an der Sammelstelle bestellten Arzneimittel entweder in der Pinguin-Apotheke selbst abholen oder sie sich von einem Boten bringen lassen. Die Kunden dagegen vor die Wahl „Botendienst der Pinguin-Apotheke“ oder „externer Bringdienst“ (zum Beispiel die Post) zu stellen, sei aber zulässig, erklärt der Jurist.
Politik fürchtet einen Rückschritt
Ob die Neue Apotheke das ebenso sieht oder den Konkurrenten erneut verklagen wird, ist nicht bekannt: Die WAZ erhielt auf Anfrage keine Antwort. Dass sich die beiden großen Apotheken bekämpfen, ist nicht neu: So lieferten sich die Neue Apotheke und die Pinguin-Apotheke in einer Rabattschlacht eine erbitterte Auseinandersetzung um Marktanteile. Die Neue Apotheke hat in Herne vier Standorte (zwei auf der Bahnhofstraße sowie auf der Haupt- und Sodinger Straße), die Pinguin-Apotheke drei (City-Center, Bebelstraße, Wilhelmstraße)
Für den SPD-Stadtverordneten Thomas Spengler wäre ein Aus für die Rezeptsammelstelle ein großer Rückschritt: „Wir sind heilfroh darüber, dass das Angebot eingerichtet worden ist.“ Edeka-Marktleiter Hans-Jürgen Vogel hätte wenig Verständnis für ein endgültiges Aus: „Ich habe das Angebot bei Senioren-Nachmittagen und anderen Veranstaltungen vorgestellt. Es ist sehr gut angekommen“, sagt er.
Die Apotheken-Kammer Westfalen-Lippe begrüßte derweil das Urteil des OLG. „Es entspricht unserer Rechtsauffassung“, so Sprecher Martin Schmitz.
Die Erklärung des Oberlandesgerichts Hamm
Die offizielle Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm:
„Ein Apotheker darf im Eingangsbereich eines Lebensmittelmarktes keine Einrichtung zum Einsammeln von Rezepten für verschreibungs-pflichtige Arzneimittel unterhalten und für diese werben, wenn so be-stellte Arzneimittel in der Apotheke abgeholt oder durch einen Boten der Apotheke ausgeliefert werden sollen. Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.05.2015 unter Erlass einer einstwei-ligen Verfügung entschieden und damit die erstinstanzliche Entschei-dung des Landgerichts Bochum abgeändert.
Die klagende Apothekeninhaberin aus Herne verlangt von ihrer Kon-kurrentin, ebenfalls Inhaberin von Apotheken in Herne, es zu unterlas-sen, im Eingangsbereich eines Lebensmittelmarktes in Herne eine Ein-richtung zum Sammeln von Rezepten für verschreibungspflichtige Arz-neimittel zu unterhalten und für diese zu werben. Bei der mit einer Werbetafel und Werbeflyern beworbenen Sammelstelle der Beklagten können Kunden Rezepte in Umschlägen in eine Sammelbox einwerfen. Dabei können die Kunden wählen, ob sie die Arzneimittel in der Apo-theke der Beklagten selbst abholen oder durch einen Boten der Apo-theke ausgeliefert erhalten wollten.
Die Klägerin hat gemeint, dass die Beklagte eine nach der Apotheken-betriebsordnung unzulässige und zudem behördlich nicht genehmigte Rezeptsammelstelle unterhalte. Im Wege der einstweiligen Verfügung hat sie verlangt, der Beklagten das Unterhalten und Bewerben der Sammelstelle im Bereich des Lebensmittelmarktes zu untersagen. Die Beklagte, die über eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichti-gen Arzneimitteln verfügt, hat demgegenüber gemeint, die Sammel-stelle als Teil des ihr erlaubten Versandhandels betreiben zu dürfen.
Der Verfügungsantrag der Klägerin war erfolgreich. Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat der Beklagten das Unterhalten und Bewerben der infrage stehenden Einrichtung zum Einsammeln von Rezepten für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt. Mit der Sammelstelle unterhalte die Beklagte eine Rezeptsammelstelle im Sinne der Apothekenbetriebsordnung und betreibe nicht lediglich den ihr erlaubten Versandhandel mit Arzneimitteln. Über die Sammelstelle biete sie nämlich das Abholen oder Ausliefern der bestellten Medika-mente in einer Weise an, für die die Apothekenbetriebsordnung Regeln aufstelle. Dabei stelle die Sammelstelle auch nicht lediglich eine “Pick-Up-Stelle“ im Sinne der apothekenrechtlichen Rechtsprechung dar, weil sie keine Stelle zum Abholen von Medikamenten sei.
Mit dem Betrieb der Rezeptsammelstelle verstoße die Beklagte gegen die Apothekenbetriebsordnung. Über die nach der Apothekenbetriebs-ordnung notwendige Erlaubnis für den Betrieb einer Rezeptsammel-stelle, verfüge sie nicht. Zudem dürfe nach der Apothekenbetriebsord-nung eine Rezeptsammelstelle nicht in einem Gewerbebetrieb unter-halten werden. Auch dagegen verstoße die Rezeptsammelstelle der Beklagten, die in einem Lebensmittelsupermarkt und mithin in einem Gewerbebetrieb im Sinne der Apothekenbetriebsordnung platziert worden sei.
Rechtskräftiges Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.05.2015 (4 U 53/15).“