47-Jähriger wegen versuchten Polizistenmordes angeklagt. Tat ereignete sich mitten in Röhlinghausen. Das Motiv liegt im Dunkeln, das Opfer leidet.

Kein Wort der Reue, kein Wort zur Tat: Vor dem Bochumer Schwurgericht hat am Montag der Prozess gegen den 47-jährigen Mann begonnen, der im vergangenen Juni in Röhlinghausen auf einen Polizisten geschossen hat. Die Anklage lautet auf Mordversuch.

Der Prozess hatte kaum begonnen, da meldete sich auch schon einer der beiden Verteidiger zu Wort. „Heute wird es keine Einlassung geben“, hieß die Botschaft, die Dieter Kaufmann den Richtern zukommen ließ. „Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.“

Es war die Nacht auf den 15. Juni 2014, als das Drama passierte. Gegen halb drei war auf der Wache in Wanne-Eickel eine Art Notruf eingegangen. Schlägerei in der Gaststätte „Gosias Eck“ – zwei Streifenwagen setzten sich sofort in Bewegung. Danach überschlugen sich die Ereignisse.

Bei der sogenannten Nahbereichsfahndung nach einem flüchtigen Verdächtigen fiel den Beamten ein bulliger Radfahrer auf – der Angeklagte. Er passte zwar nicht zur Beschreibung, die Polizisten hatten trotzdem angehalten. „Wir wollten ihn nur fragen, ob er etwas Verdächtiges gesehen hat“, sagte das spätere Opfer im Zeugenstand. „Doch der ist einfach geflüchtet.“

Was folgte, war eine wilde Verfolgung, teilweise zu Fuß, teilweise mit dem Auto. Am Ende konnte der Radfahrer zu Boden gebracht und auf dem Bauch fixiert werden. Nur den rechten Arm konnten die Beamten nicht greifen, weil der noch unter dem Körper lag. „Ich habe dann meinen Schlagstock geholt, um einen Hebel anzusetzen.“

Kurz darauf fiel der Schuss. Das Projektil durchschlug den Oberschenkel, trat unterhalb des Gesäßes wieder aus. „Erst habe ich gedacht, dass ich durch eine Gaswaffe verletzt worden bin“, sagte der 43-jährige Polizeibeamte. „Dann habe ich gemerkt, dass alles voller Blut war.“ Kurz darauf seien die Bilder vor seinen Augen auch schon verschwommen. Der Kreislauf sackte weg, der 43-Jährige konnte nicht mehr stehen. „In diesem Moment habe ich gedacht, dass ich den Abend nicht überleben werde.“ Die Folgen sind bis heute spürbar. Der 43-Jährige ist noch immer in Behandlung. Er kann zwar wieder arbeiten, aber nur im Innendienst. Eine Antwort auf das „Warum“ hat er bis heute nicht.

Der Angeklagte war vor über 20 Jahren aus Sibirien nach Deutschland gekommen. Ein unauffälliges Leben: Er hat eine Familie, ein Haus und immer gearbeitet. Auch mit der Schlägerei in der Gaststätte – das hat sich später herausgestellt – hatte er nichts zu tun. Der Tumult war damals sogar gefilmt worden. Ein Mann hatte den Schuss gehört und sein Handy gezückt.