Herne. . Der Streit um eine Herner Schlaflabor-Praxis spitzt sich zu. Die Kassenärztliche Vereinigung stellte die Abschlagszahlungen ein. Ohne Ankündigung.
Die Auseinandersetzung zwischen dem Herner Schlafmediziner Josef Wiemann und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) ist eskaliert. Die KVWL hat die Abschlagszahlungen an die Schlaflaborpraxis eingestellt. „Ohne Ankündigung und ohne eine Mitteilung“, sagt Wiemann. Er fühlt sich von der Kassenärztlichen Vereinigung in den Ruin getrieben.
Die Auseinandersetzung dreht sich um Honorar-Rückforderungen der KVWL an Wiemann in Höhe von einer halben Million Euro (die WAZ berichtete) und begann im Jahr 2010. Damals deckelte die KVWL die Honorare für Schlaflabore bei niedergelassenen Ärzten. Die Folge für Wiemann: Einbußen in der Höhe von etwa 40 Prozent. Die habe er noch kompensieren können. Trotzdem habe er in der Folge mehr gearbeitet als er eigentlich durfte. Wegen des immensen Patientenandrangs. Zugleich legte er gegen die Quartals-Abrechnungen der KVWL Widerspruch ein. Reaktion: keine. Deshalb habe er 2013 darauf hingewiesen, dass es das Rechtsmittel der Untätigkeitsklage gebe. Nur zwei Wochen später habe die KVWL ihm mitgeteilt, dass er die Plausibilitätszeiten überschreite. Mit anderen Worten: Er rechne Arbeitszeiten ab, die er gar nicht erbracht habe. Wiemann versichert, dass er jeden Abend bis 22 oder 23 Uhr in der Praxis arbeite. Er fragt sich, warum die KVWL dies jahrelang nicht beanstandet habe. Und warum sie bei dem Verdacht des Abrechnungsbetrugs nicht die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat.
Stattdessen forderte sie jene halbe Million Euro zurück. Das hieße jedoch, dass er seine Überstunden nicht nur nicht bezahlt bekomme, er muss sie sogar selbst bezahlen. Im Zuge eines Disziplinarverfahrens schickte Wiemann zahlreiche Unterlagen - wie Befunde oder Protokolle des Zeiterfassungssystems - an die KVWL, doch die hätte das Material nicht anerkannt. Seine Widersprüche seien nach wie vor nicht beschieden.
Die Einstellung der Zahlungen hat laut Wiemann dramatische Folgen: Zurzeit mache er mit der Praxis jeden Tag ein Minus von 1000 Euro. Sein Konto sei bereits gesperrt, seinen Mitarbeiterinnen könne er noch einen Lohn auszahlen. Danach müsse er sechs Mitarbeiterinnen kündigen (zu Spitzenzeiten waren es 23). Er werde dann versuchen, sich mit einer einzigen Kraft „in Würde irgendwie durchzuschlagen“ bis zum Ende des Mietvertrags in der Haranni-Clinic im Jahr 2018. Dann werde er die Praxis wohl endgültig schließen.
Kassenärztliche Vereinigung sieht Praxis nicht finanziell bedroht
Dass die KVWL ihre Zahlungen ohne Ankündigung eingestellt hat, erklärt sie so: „Herr Wiemann hat ... gegenüber dem Vorstand der KVWL mitgeteilt, er werde die Praxis zum 1.3. schließen und Insolvenz anmelden.“ Die KVWL sieht eine mündliche Ankündigung mit Datum als verbindlich an. Dass sie selbst keine Ankündigung schickte, begründet sie damit, dass sie ihre Ansprüche bei einer Insolvenz nicht mehr realisieren könne. Zur Frage der Überstunden erklärt die KVWL, dass eine Abrechnung implausibel sei, wenn ein Arzt mehr als zwölf Stunden netto Leistungen abrechne. Wiemanns Belege seien nicht geeignet nachzuweisen, dass er die Leistungen schneller erbringen kann.
Die KVWL ist der Meinung, dass eine finanzielle Bedrohung von Wiemanns Praxis nicht zutreffend ist, weil er über erhebliches Vermögen verfüge. Die Berechnungen der Honorarrückforderungen basierten auf sozialgerichtlich anerkannten Grundsätzen, die von der Prämisse ausgehen, dass die zeitlichen Überschreitungen indizieren, dass Leistungen zu Unrecht abgerechnet wurden. Dies sei zu korrigieren.