Herne. . Das Mulvany- und das Emschertal Berufskolleg realisieren ein neues Bildungsprojekt der Europäischen Union für Jugendliche aus Schaustellerfamilien.
Das Mulvany- und das Emschertal Berufskolleg realisieren gemeinsam ein neues Bildungsprojekt der Europäischen Union für Jugendliche aus Schaustellerfamilien. Hinter dem Kürzel „INVET“ verbirgt sich das Ziel, es jugendlichen Schaustellern zu ermöglichen, ihre beruflichen Kompetenzen, die sie „Learning by doing“ im Familienbetrieb erworben haben, auch offiziell anerkennen und zertifizieren zu lassen.
Stellvertretend für das Grundproblem bei der Ausbildung von Jugendlichen aus Schaustellerbetrieben steht Monique Scheit: Die 19-Jährige aus Wittenberg ist mit ihrer Familie die meiste Zeit des Jahres auf den Volksfesten quer durch die Republik unterwegs. Die Saison beginnt im April und endet frühestens Ende Oktober. Als Schülerin sei sie jede Woche in einer anderen Schule gewesen - das Bildungssystem ist eben ausschließlich auf „Sesshafte“ ausgerichtet.
Als beruflich Reisende ist Monique Scheit nun berufsschulpflichtig. Diese Pflicht kann sie mit Hilfe der sogenannten BeKoSch-Kurse der beiden Herner Berufskollegs erfüllen. Zwei Fernlernphasen werden in der Winterpause ergänzt durch Blockunterricht an der Steinstraße und am Westring. Am Ende steht der Hauptschulabschluss. Eine Ausbildung? „Brauche ich nicht“, sagt Scheit, sie werde den elterlichen Betrieb eines Tages übernehmen. Diese Perspektive, so BeKoSch-Koordinator Franz-Josef Berkenkötter, treffe auf den allergrößten Teil der Schausteller-Jugendlichen zu. „90 Prozent machen keine Ausbildung.“ Weil sie eben die Tradition fortsetzen wollten.
Doch es ist nicht jede Woche Cranger Kirmes, und kleine Volksfeste würden nach und nach eingestellt, so Berkenkötter. Die Folge: Mancher Schausteller ist in seiner Existenz bedroht. Mit dem EU-Bildungsprojekt soll eine berufliche Alternative eröffnet werden. „Die Jugendlichen können ja etwas. Sie haben viele Kompetenzen durch ihre tägliche Arbeit erworben“, so Berkenkötter. Doch dafür gab es bislang keinen Nachweis und kein Zeugnis. Die Idee hinter INVET sei es zu fragen, was die Jugendlichen gelernt haben und diese Fähigkeiten zu zertifizieren. Vorbild dafür ist das niederländische EVC-Verfahren. Dabei werden Kenntnisse anerkannt, die nicht im formalen Bildungssystem erworben wurden, sondern in der beruflichen und in der persönlichen Praxis und selbst in der Freizeit. Diese Fähigkeiten werden erfasst, bewertet und mit einem Zeugnis anerkannt.
Dafür wäre beim Herner Projekt die IHK Mittleres Ruhrgebiet zuständig. Die hält das Projekt für sehr sinnvoll, weil es die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhe, falls die Jugendlichen die Schaustellerbranche verlassen. Man werde aber genau darauf achten, dass die Teilqualifikationen, die nachgewiesen werden sollen, auch tatsächlich vorhanden sind.