Der Spitzenplatz Hernes in der NRW-Unfallstatistik dürfte auch dank der Verkehrsunfallkommission zustande gekommen sein. Sie sucht nach Brennpunkten.
Das war gestern eine gute Nachricht: Das Risiko, bei einem Unfall verletzt zu werden, ist in Nordrhein-Westfalen nirgendwo so gering wie im Bereich der Kreispolizeibehörde Bochum - zu der Herne gehört. Zu diesem Spitzenplatz dürfte auch ein Gremium beigetragen haben, das in weiten Teilen der Öffentlichkeit völlig unbekannt sein dürfte: die Verkehrsunfallkommission.
So eine Kommission muss es nach dem Willen des Gesetzes in jeder Stadt geben, zu den „ständigen Mitgliedern“ gehören Vertreter der Stadt und der Polizei. Werden innerhalb eines Jahres an der selben Stelle drei Unfälle des gleichen Typs mit den Kategorien „schwerer Sachschaden“, „leicht Verletzte“, „schwer Verletzte“ und „Todesfall“ registriert, muss angesichts dieser Häufung die Kommission einberufen werden. Doch - und so ist vielleicht Hernes Spitzenplatz im Landesvergleich zu erklären -: „Wir warten nicht erst ab, bis eine Häufung auftritt“, betont Polizeihauptkommissar Peter Mehmke.
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Bereits bei zwei gleich gelagerten Unfällen an der selben Stelle werden Polizei und Stadt - die einen sehr kurzen Draht pflegen - aufmerksam. Als Grundlage dienen ihnen die Unfallprotokolle. Die Polizei registriert Unfälle nämlich nicht einfach, jeder Hergang wird mit Blick auf die Ursache ausgewertet.
Ergibt sich nur der Hauch eines Verdachts, dass Unfälle systembedingt sind - z.B. wegen Beschilderungen, Ampelschaltungen oder Verkehrsführungen - treffen sich Stadt und Polizei zum Ortstermin.
Eine dieser Stellen ist die Kreuzung Westring/Cranger Straße am Herner Bahnhof. Nach fünf Unfällen in drei Jahren, bei denen Linksabbieger auf Fußgänger getroffen sind, versucht die Kommission, diese Kreuzung in den Griff zu bekommen.
„Die Unfälle passierten zu unterschiedlichen Tageszeiten, bei jedem Licht und Wetter, wir haben bislang nicht herausgefunden, woran es liegt“, erzählt Klaus Tittel vom Fachbereich öffentliche Ordnung. Dazu muss man wissen: Tittel und Mehmke belassen es nicht einfach beim Ortstermin. Sie versetzen sich in die Lage aller Verkehrsteilnehmer: laufen zu Fuß, setzen sich ins Auto oder steigen aufs Rad. So findet mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) zweimal im Jahr eine Radtour statt, die gezielt zu heiklen Stellen führt. Dazu gehörte in der Vergangenheit der Radweg an der Berliner Straße am Wanner Hauptbahnhof. Mit einer neuen Markierung und Beschilderung scheint das Problem dort gelöst zu sein.
Bei Unfällen mit Todesfolge ist die Kommission gleich am nächsten Tag vor Ort, um zu schauen, ob es einen Fehler im System gibt. Wie beim Unfall auf dem Westring. Gerader Straßenverlauf, freie Sicht - es handelte sich um einen tragischen Einzelfall.
Tittel und Mehmke räumen ein, dass sie sich irgendwie anders im Straßenverkehr bewegen als normale Fußgänger, Rad- oder Autofahrer: „Man sieht einiges, wenn man in der Stadt unterwegs ist, etwa wenn ein Verkehrsschild überklebt ist“, sagen beide. Die kleine Antenne der Verkehrskommission ist bei ihnen irgendwie immer ausgefahren, selbst in anderen Städten.
Wie vorausschauend sie arbeiten, offenbart folgendes Beispiel: So beschwerte sich ein Bürger, dass Fußgänger an der A42-Abfahrt Börnig (aus Fahrtrichtung Duisburg) Probleme hätten, die Straße zu überqueren, weil die Autofahrer zu schnell sein. Die Kommission rückte aus, beobachtete die Situation 45 Minuten lang - und entschied, ein Stopp-Schild aufstellen zu lassen.
Zusammensetzung kann variieren
In der Verkehrsunfallkommission sind verschiedene Fachbereiche der Stadt sowie die Polizei vertreten. Nach Bedarf können Straßen NRW, der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club, die Bogestra, aber auch die Bezirksregierung Arnsberg hinzugezogen werden. Die Beschlüsse, die die Kommission fasst, müssen einstimmig sein - weil es in der Konsequenz mit Kosten für die Stadt verbunden ist.