Zehn Jahre ist es her, dass mit Hartz IV die größte Sozialreform der jüngeren deutschen Geschichte in Kraft trat. Damals gingen viele auf die Straße, um gegen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu protestieren. Inzwischen sind die „Montagsdemonstrationen“ auf der Bahnhofstraße nur noch eine Randnotiz. Wie hat die Reform die Stadt verändert? Eine Bestandsaufnahme aus Herner Sicht.

Die Bilanz fällt ernüchternd aus. Zwar hat die Reform zu einer Verringerung der Arbeitslosenzahl geführt: Im November 2005 waren zwischen Bickern und Börnig 13 364 Menschen ohne Arbeit, im Herbst 2014 nur noch 9651. Doch die Zahl stagniert seit Jahren, und viele, die Arbeit haben, können davon nicht leben. 3502 Hartz-IV-Empfänger müssen ihr Einkommen vom Staat aufstocken lassen. „Hartz hat in Herne keine Arbeitsplätze geschaffen“, so Sozialdezernent Johannes Chudziak. Das wirtschaftlich starke Süddeutschland habe zwar profitiert. „Für Herne war Hartz IV aber nicht die Lösung“, sagt Chudziak – das könne eher ein „dritter, gemeinnütziger Arbeitsmarkt“ sein.

„Der Grundgedanke, zwei Hilfssysteme zusammen zu fassen, war sicherlich richtig“, sagt Luidger Wolterhoff, Geschäftsführer der Agentur Herne und Bochum. In Herne habe es von Beginn an eine intensive Zusammenarbeit mit der Kommune gegeben. Dies zeige sich an der Tatsache, dass das Jobcenter – das sich mit Hinweis auf das mitunter schwierige Verhältnis zu einigen Kunden nicht selbst äußern wollte – in Herne eher mit Projekten als mit Problemen in Erscheinung getreten sei.

Dirk W. Erlhöfer, Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen, zieht eine positive Bilanz. „Die Chancen auf einen Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt sind seitdem gestiegen.“ Dies könne man an der Beschäftigtenzahle ablesen, die auf Rekordniveau liegt. Die Schaffung der Jobcenter sei kein Allheilmittel, aber gut angelegtes Geld, wenn diese ihren Job gut machen.

Die Sozialverbände

Der Druck ist mit Hartz IV gewachsen, beklagen mehrere soziale Einrichtungen unisono. Sie registrieren eine massive Zunahme von psychischen Krankheiten und Süchten. Susanne Wolf, Geschäftsführerin der Schuldnerberatung, sagt: „Die Gesellschaft ist in Schieflage geraten.“ Zwar sprächen Politik und Wirtschaft von Rekordzahlen, so Franz-Josef Strzalka vom Arbeitslosenzentrums an der Hermann-Löns-Straße. „Aber es gibt eben auch immer mehr prekäre Beschäftigungen.“ Auch aus seiner Sicht „sollte man über einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt nachdenken.“